Schattenfreundin
GPS-fähigen Handy gemacht worden ist, sogar der Ort«, erklärte sie. »Die Kollegen werden sich sofort dransetzen.«
Mit einem Glas Rotwein in der Hand kam Thomas wieder ins Wohnzimmer. Noch immer sah er blass und mitgenommen aus. Er ließ sich in einen Sessel fallen und trank einen großen Schluck.
»Haben Sie von Bens Mutter etwas Brauchbares erfahren?«, fragte Katrin.
»Ja, wir haben einen Namen. Tanja Meyer. Die Überprüfung läuft. Leider gibt es viele Meyers.«
Katrin nickte nur.
»Wir haben bisher leider keine Personen aus ihrem Umfeld ermitteln können. Wüssten wir von einem Ehemann oder einer Schwester oder von Freunden, wäre es leichter. Wenn Ihnen also noch irgendjemand einfällt, der die Täterin vielleicht kennen könnte …«
Katrin schüttelte den Kopf. »Ich kannte sie ja selbst erst kurze Zeit.«
Thomas räusperte sich. Er trank noch einen Schluck, als müsste er sich Mut antrinken. »Ich kenne jemanden auf dem Foto«, sagte er schließlich zögernd. Nervös drehte er sein Weinglas zwischen den Fingern.
Katrin sah ihn überrascht an.
»Die Frau links neben dieser Tanja Meyer. Sie heißt Christa Leifart. Doktor Christa Leifart. Sie war eine Kollegin von mir.«
»Wir werden sie sofort überprüfen«, sagte die Beamtin.
»Glauben Sie, sie ist eine Komplizin?«, fragte Katrin.
»Sie könnte eine wichtige Zeugin sein. Jedenfalls ist sie die erste identifizierbare Person aus der Vergangenheit der Täterin. Vielleicht haben wir Glück, und sie ist eine Freundin oder Verwandte, und sie kann uns etwas sagen zum Aufenthaltsort der Täterin.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche. »Eine dringende Personenüberprüfung. Doktor Christa Leifart … Ja, melde dich, wenn du einen Treffer hast … Bis gleich!«
»Du hast diese Frau noch nie erwähnt.« Katrin musterte Thomas irritiert.
Der wich ihrem Blick aus und blickte zu Boden. »Ich … ich habe sie vor Jahren mal getroffen. Vor vielen Jahren. Es liegt ewig zurück.«
»Wo hast du sie getroffen? Ich dachte, sie ist eine Kollegin?«
»Auf einer Tagung«, sagte Thomas. »Leo war damals noch nicht auf der Welt, es war lange vorher.«
»Hast du mit ihr zusammengearbeitet?«
»Äh … ja. Nein. Also … irgendwie doch.«
»Was soll das heißen? Du wirst doch wohl noch wissen, ob du mit ihr zusammengearbeitet hast!« Katrins Stimme klang in ihren eigenen Ohren schrill. Warum stotterte Thomas nur so herum?
»Ich habe sie auf einer großen Messe kennengelernt, auf der Intertec .«
»Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«, fragte Frau Schneidmann dazwischen.
»Ach, das ist ewig her!«, sagte Thomas. »Bestimmt fünf oder sechs Jahre. Ich habe sie nur ein einziges Mal auf dieser Messe getroffen.« Er trank wieder einen Schluck Wein. »Später am Abend …«
»Jede Messe macht um sechs zu«, sagte Katrin.
»Es war auf einer Veranstaltung danach. Bei irgendeinem Empfang …«
Katrin musterte Thomas. Schwitzend und stotternd saß er da. So kannte sie ihn gar nicht.
Unvermittelt stand er auf. »Ich brauche jetzt einen Kaffee. Noch jemand?« Er wartete die Antwort gar nicht erst ab und verschwand Richtung Küche. Mit einem Grummeln in der Magengegend sah Katrin hinter ihm her. Sie kannte dieses Gefühl von früher, wenn es Noten gab in der Schule, wenn sie wusste, sie hatte eine Prüfung nicht bestanden, oder wenn ein Freund mit ihr Schluss machen wollte.
Thomas kam wieder ins Wohnzimmer, in der Hand keine Kaffeetasse, sondern ein neues Glas Wein. Zögernd setzte er sich. In Katrins Ohren begann es zu rauschen.
»Ihr hattet eine Affäre, oder?«, sagte sie.
Thomas fuhr sich mit der Hand durch die Haare und trank noch einen Schluck. »Das war keine Affäre«, sagte er schließlich leise. »Es liegt so lange zurück. Es hatte überhaupt nichts zu bedeuten …«
»Also doch …«, sagte Katrin wie zu sich selbst.
»Nein!«, rief Thomas und sprang auf. »Ich hatte keine Affäre! Wir waren auf einem Kongress, und auf der Abschlussveranstaltung wurde eine Menge getrunken. Und dann sind wir irgendwie im Bett gelandet, ich weiß auch nicht. Aber nur dieses eine Mal! Es hatte wirklich nichts zu bedeuten!« Unruhig ging er auf und ab.
Mit einem Mal fühlte Katrin sich vollkommen leer. Die Trauer und die Angst, die sie in den letzten Stunden gespürt hatte, waren wie weggeblasen.
»Es tut mir so leid, Liebling«, sagte Thomas mit zitternder Stimme.
»Nenn mich nicht Liebling «, entgegnete Katrin. »Nenn mich nie wieder Liebling .«
Schweigend
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