Schattenfreundin
bleibt das wohl eine Ausnahme«, sagte Charlotte und strich Ben über den Kopf. »Wenn er Ihnen noch irgendetwas über Tanja sagt oder wenn Ihnen selbst noch etwas einfällt, dann rufen Sie mich bitte an, ja?«
Sabine Weiler nickte knapp.
Müde verließ Charlotte den Kindergarten. Als sie den Autoschlüssel aus der Hosentasche ziehen wollte, fiel der auffallend helle und glatte Kieselstein auf die Erde. Nachdenklich hob sie ihn auf und steckte ihn wieder ein. Irgendwo hatte sie solche Steine schon einmal gesehen. Aber wo?
Der Putzlappen roch muffig, und sie beschloss, ihn in die Wäsche zu geben. Hätte sie es doch schon früher getan, jetzt stank es in der ganzen Küche danach.
Auf einmal musste sie lächeln. Hausfrauenprobleme. Sie freute sich, dass sie die ab jetzt hatte.
Ihr Blick fiel auf den Berg mit schmutziger Wäsche vor ihr auf dem Boden. Bestimmt zwanzig Socken waren dabei, die meisten schwarz, andere trug Klaus ja nicht.
Männer haben es besser, dachte sie. Jedenfalls was die Kleidung angeht. Ihr Vater fiel ihr ein. Er hatte immer einen Anzug getragen, wenn er das Haus verließ, mal grau, mal dunkelblau, mal schwarz.
Sie selbst fand nie etwas Passendes zum Anziehen. Schicke Kleidung in Größe 46 war einfach Mangelware.
Die Wäsche war schnell sortiert. Drei Haufen lagen nun vor ihr, Weißwäsche, Buntwäsche und schwarze Sachen.
Zum Schluss nahm sie das hellblaue T-Shirt in die Hand. Sie wollte es schon zur Buntwäsche tun, da fielen ihr die Blutflecken auf. Wo kamen die denn her? Plötzlich ahnte sie etwas. Sie musste in Zukunft besser aufpassen …
Das musste sie erst einweichen, bevor sie es waschen konnte. Blutflecken gingen ohne Einweichen nicht raus. Sie warf das T-Shirt in Richtung Waschbecken.
Plötzlich stutzte sie. Nein, das würde sie nicht waschen. Sie nahm es wieder in die Hand und betrachtete es. Dann stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Gleich am Morgen hatte Katrin ihre Mutter angerufen und ihr unter Tränen berichtet, was mit Leo passiert war. Sie war froh, dass ihre Mutter trotz des großen Kummers Ruhe bewahrt hatte. Sie würde später vorbeikommen, hatte Katrin ihr versprochen, und ihr alles genau erklären, aber zuerst müsse sie zur Polizei, weil ein Phantombild von dieser Tanja erstellt werden solle.
Vor diesem Termin hatte sie sich gefürchtet, aber zu ihrer eigenen Verwunderung war sie ganz ruhig, als sie mit dem Zeichner zusammen im Präsidium saß. Sie hatte erwartet, dass das Nachgrübeln über Tanja sie noch mehr belasten würde, aber das Gegenteil war der Fall. Es hatte etwas Beruhigendes, sich die Eigenheiten des Gesichts, die Form der Nase oder die Farbe der Augen in Erinnerung zu rufen.
Konzentriert sah Katrin auf den Bildschirm. »Das Gesicht ist sehr rund.«
Der Zeichner machte einen Vorschlag.
»Ja, das trifft es ungefähr.«
»Gut«, sagte der Zeichner. »Sie machen das prima. Ich zeige Ihnen jetzt verschiedene Augenpaare. Überlegen Sie in aller Ruhe, welche davon den Augen der Täterin am ähnlichsten sind.«
Katrin nickte. Ihre Augen. Tanjas Augen waren ihr sofort aufgefallen. Strahlend blau waren sie, von freundlichen Lachfältchen umgeben. Genau diese Lachfältchen waren es, die Tanja von Anfang an so sympathisch gemacht hatten. Sie hatte mit ihren Augen gelacht, deshalb hatte ihr Lachen niemals falsch gewirkt. Und ihr Blick war immer offen und aufrecht gewesen, wie man es nur bei Menschen sieht, die nichts zu verbergen haben.
Spöttisch lachte Katrin auf. Wie dumm sie doch gewesen war. Sie zeigte auf ein bestimmtes Augenpaar. »Die da passen ganz gut.«
»Sehr schön«, sagte der Zeichner und setzte die Augen ein. »Das Gleiche machen wir jetzt mit dem Mund. Schauen Sie sich die verschiedenen Formen wieder in Ruhe an.«
Tanjas Mund … Ständig hatte sie Lipgloss aufgetragen. Dadurch wirkten ihre Lippen noch voller, als sie ohnehin schon waren. Und da sie meistens gut gelaunt gewesen war, hatte auch ihr Mund gelächelt. Makellose strahlend weiße Zähne hatten hinter den Lippen hervorgeschaut.
Katrin zeigte auf eine bestimmte Mundform, die der Zeichner sofort in das Phantombild einfügte.
»Jetzt fehlen nur noch die Ohren«, sagte er.
»Sie hat immer sehr auffällige Ohrringe getragen«, sagte Katrin. »Oder darf so etwas nicht auf ein Phantombild? Ich meine, weil sie die ja rausnehmen könnte?«
»Doch, doch«, entgegnete der Zeichner. »Die nehmen wir auf alle Fälle mit drauf aufs Foto. Letztendlich kann sie jederzeit alle
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