Schattenfreundin
Klaus Kinski natürlich, aber Ben sagt immer Kinski . Ist das wichtig?«
»Vielleicht«, sagte Charlotte. »Ben!«, rief sie. »Könntest du noch mal kurz kommen?«
Wenig später stand Ben vor ihr.
»Sag mal, der Klausi, von dem du mir neulich erzählt hast, das ist gar nicht der Hund von nebenan, oder?«
»Nein! Das ist doch Kinski!«
»Ist Klausi denn ein Junge aus dem Kindergarten?«
Ben schüttelte den Kopf. »Der Klausi doch nicht! Der ist doch viel zu groß! So Große gehen doch nicht mehr in den Kindergarten!«, sagte er vorwurfsvoll.
Charlotte lächelte. »Da hast du natürlich recht. Geht der Klausi schon in die Schule?«
»Weiß nich.«
»Hast du den Klausi mal besucht? Zusammen mit Tanja?«
Ben sah zu seiner Mutter. »Das darf ich nicht sagen. Das ist nämlich ein Geheimnis.«
»Verstehe. Geheimnisse darf man natürlich nicht verraten. Ehrensache. Wie oft habt ihr den Klausi denn besucht?«
Ben zuckte mit den Achseln. »Weiß nich. Nich oft.«
»Konntet ihr zu Fuß zu Klausi gehen?«, fragte Charlotte.
Ben schüttelte den Kopf. »Nee!«
Charlotte wandte sich an Frau Weiler. »Wissen Sie etwas über irgendwelche Ausflüge mit dem Auto oder mit dem Fahrrad?«
Frau Weiler war blass geworden. »Nein. Und mir wird auch ganz anders, wenn ich das jetzt höre«, sagte sie. »Solche Ausflüge waren nicht abgesprochen.«
»Hatte diese Tanja eigentlich einen eigenen Wagen?«
Frau Weiler nickte. »Einen Polo. Mein Wagen stand ihr natürlich auch zur Verfügung, damit hat sie Ben ja auch immer in den Kindergarten gebracht. Ich selbst fahre nicht gern. Ich nehme mir lieber ein Taxi. Dann kann ich unterwegs noch arbeiten …«
»Dann hat Ben Ihnen nie etwas über diese Ausflüge erzählt?«
»Nein, nie. Ich arbeite in einer großen Kanzlei, müssen Sie wissen«, sagte sie. »Leider sind die Arbeitszeiten nicht immer so, wie man es sich wünschen würde. Normalerweise verbringe ich ein, zwei Mal in der Woche den Nachmittag mit Ben, aber manchmal klappt es einfach nicht. Dann ist er schon im Bett, wenn ich nach Hause komme, und am nächsten Morgen ist die Kinderfrau wieder da. Ich frage ihn natürlich immer am Wochenende, was es gegeben hat, aber da erzählt er meist nicht viel.«
Charlotte hatte Mühe, sich ihre Missbilligung nicht anmerken zu lassen. Wie konnte die Mutter ihren dreijährigen Sohn am Wochenende fragen, wie seine Woche war … Hielt sie das für eine gute Erziehung? Wie Charlotte es hasste, wenn Eltern ihren Beruf als Entschuldigung vorbrachten, weil sie nicht genügend Zeit verbringen konnten mit ihren Kindern … Sie nickte nur und wandte sich wieder Ben zu.
»Ich zeig dir was!«, rief er plötzlich und verschwand im Haus. Kinski lief hinter ihm her. Wenige Augenblicke später kam der Junge zurück, in der Hand ein Blatt Papier.
Charlotte nahm es. »Hast du das selbst gemalt?«, fragte sie. Das Blatt war über und über mit grünen Kringeln bemalt.
Ben nickte.
»Das sieht aber schön aus! Was ist es denn?«
»Da wohnt Klausi«, sagte er.
»Soll das ein Wald sein?«
»Ja«, sagte Ben. »Der von Klausi!«
»Klausi wohnt also im Wald?«
Ben strahlte Charlotte an. »Ja!«
»Beschreib mir doch mal den Klausi! Ist er viel größer als du?«
Ben zuckte mit den Schultern.
»Ist er so groß wie dein Papa?«
Er schüttelte den Kopf.
»Also ist er noch ein Junge?«
Wieder schüttelte er den Kopf.
Charlotte sah ihn aufmunternd an.
»Kein Junge. Aber auch kein Papa. Der ist anders«, sagte Ben schließlich.
»Wie meinst du das?«
»Der ist immer so komisch.«
Charlotte nahm den Finger vom Klingelknopf und wartete. Es dauerte eine Weile, bis Thomas Ortrup ihr öffnete. Seine Haare waren an den Schläfen feucht, offenbar hatte er sich noch schnell das Gesicht gewaschen. Gegen die blutunterlaufenen Augen und den alkoholgeschwängerten Atem konnte das allerdings nichts ausrichten. Sie hielt ihm das Foto vom Casa Alekto hin, ohne sich weiter mit Förmlichkeiten aufzuhalten.
»Kennen Sie die Frau in der Mitte?«, fragte sie. »Die mit den besonderen Ohrringen? Sie heißt Annabell Rustemovic. Sie hat damals im Casa Alekto gekellnert.«
» Alekto … Genau wie …?«
Charlotte nickte.
» Beerchen , ja klar. Jeder kannte Beerchen .«
»Gab es irgendwelche Berührungspunkte mit dieser Frau? Überlegen Sie bitte genau. Hatten Sie vielleicht mal Streit mit ihr? Oder hatten Sie beide eine Affäre?«
Herr Ortrup kratzte sich am Kopf und grinste schief.
»Also, damals, während des
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