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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Drews
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an ihrer Mutter. Das heimliche Engagement ihres Mannes war ihr bestimmt peinlich. Drogenabhängige Prostituierte zählten in den Augen von Luise Wiesner gewiss nicht zu den Personen, denen man helfen sollte. Katrin war sich sicher, dass ihre Mutter Prostitution als Sünde ansah. Prostituierte, das waren doch sexbesessene Frauen, die zu faul waren zum Arbeiten. Darüber redete man nicht. Und deshalb wurde zu Hause auch nie ein Wort darüber verloren.
    »Hat mein Vater das bis zum Schluss gemacht?«
    »Nein. Ende der Neunzigerjahre wurde die Situation für die Prostituierten deutlich besser. Es gab Methadon und die ersten Aids-Medikamente. Und dann kam 2002 das Prostitutionsgesetz. Heute gibt es praktisch keine Prostituierten mehr, die nicht krankenversichert sind.«
    »Hm. Vielleicht war diese Tanja auch eine Prostituierte …«, überlegte Katrin.
    »Dann müsste sie ihm ihr Leben lang dankbar sein.«
    »Wer weiß das schon? Vielleicht macht sie ihn ja für irgendwas verantwortlich. Vielleicht hat er bei ihr eine ansteckende Krankheit übersehen, und sie kann deswegen keine Kinder bekommen. Und deshalb hat sie sich Leo genommen …« Ihr versagte die Stimme, und sie hatte Tränen in den Augen.
    Margarethe strich ihr beruhigend über den Arm.
    »Weißt du, ob er über diese Frauen auch Akten angelegt
    hat?«, fragte Katrin.
    »Ja, das hat er. Die Frauen kamen öfter zu ihm, da musste er ja Bescheid wissen.«
    »Was ist eigentlich mit den ganzen Patientenakten passiert, als die Praxis geschlossen wurde?«
    »Als Arzt hast du die Pflicht, die Patientenakten nach der Auflösung deiner Praxis entweder einem anderen Arzt zu übergeben, der sie dann aufbewahrt, oder sie selbst sicher zu verwahren«, erklärte Margarethe. »Aus Gründen der Schweigepflicht darfst du sie nicht einfach auf den Müll werfen. Zehn Jahre lang müssen sie sicher aufbewahrt und dann genauso sicher vernichtet werden.«
    »Und wie hat Papa das gemacht?«
    »In den letzten vier Wochen habe ich selbst noch unzählige Akten an die neuen Ärzte verschickt, zu denen die Patientinnen gehen wollten«, sagte Margarethe. »Und die Akten von den Frauen, die keinen neuen Arzt angegeben hatten, haben wir in Umzugskartons gepackt. Dein Vater wollte sie bei sich zu Hause aufbewahren.«
    »Sind es viele?«
    »Vielleicht siebzig oder achtzig. Aber sie sind nach Jahrgängen geordnet, also nach dem Jahr, in dem die Frau bei uns als Patientin aufgenommen wurde. Ist sie ungefähr so alt wie du?«
    »Ja. Wenn sie nicht gelogen hat.«
    »Die meisten Mädchen gehen zwischen vierzehn und sechzehn zum ersten Mal zum Frauenarzt«, überlegte Margarethe. »Das heißt, du kannst dir die Ordner vor 1988 sparen.«
    Katrin seufzte. »Trotzdem bleiben noch ganz schön viele übrig.«
    »Ich tippe auf fünfzig. Die müsstest du dann tatsächlich alle durchsehen. Aber vorne auf den Akten steht immer das Geburtsdatum. So kannst du alles, was nicht infrage kommt, schon mal gleich aussortieren.«
    Katrin atmete tief durch. »Danke für den Tipp. Du hast mir wirklich sehr geholfen.« Sie spürte auf einmal, wie eine neue Kraft durch sie hindurchflutete. Vielleicht hatte sie eine Spur. Sie würde jetzt gleich zu ihrer Mutter zurückfahren und sich an die Arbeit machen. Endlich konnte sie etwas tun, sie musste nicht mehr tatenlos herumsitzen und darauf warten, dass die Polizei sich bei ihr meldete.
    Charlotte dachte immer noch darüber nach, was Ben gesagt hatte: Kein Junge. Aber auch kein Papa. Der ist anders. Und dann hatte er noch hinzugefügt: Der ist immer so komisch. Was konnte er damit meinen? War dieser Klausi ein Jugendlicher? Und was war komisch an ihm? Wie konnte er sich verhalten, damit Ben es als komisch empfand? Hieß komisch , dass er Ben immer wieder zum Lachen brachte? Oder hieß komisch , dass Klausis Verhalten in Bens Augen sonderbar war, dass es nicht der Norm entsprach? Charlotte kam nicht weiter. Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie mit einem Profi sprach. Mit jemandem, der sich mit der Fantasie und der Sprache eines Kleinkindes besser auskannte als sie.
    Sie rief im Kindergarten an. Frau Hellmann, die Leiterin, meldete sich. Ja, sie sei noch eine Weile da, sie müsse Büroarbeiten erledigen, morgens habe sie nicht genügend Zeit dafür. Charlotte atmete auf und fuhr los.
    Als sie ihren Wagen vor dem Kindergarten parkte und ausstieg, sah sie im großen Garten mehrere Kinder ausgelassen spielen. Ob einer von ihnen Klausi war?
    Sie klingelte. Die Tür öffnete

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