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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Drews
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drehte sich um und sah sie freundlich an. »Ja, in der Tat. Ich bin Pfarrer Baumgarten. Und wer sind Sie?«
    Charlotte zeigte ihm ihren Dienstausweis und stellte sich vor. »Kennen Sie Luise Wiesner?«
    »Ja natürlich, sie war eben in der Messe«, sagte er. »Sie wollte noch auf den Friedhof. Sie können sie am Grab ihres Mannes finden, gleich vorne am Hauptweg.« Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. »Mit Gottes Hilfe hat er seinen Frieden gefunden.«
    »Da fällt mir etwas ein. Vielleicht können Sie mir helfen. Ich bin auf der Suche nach einer Person, über die ich leider nur sehr wenige Informationen habe«, sagte Charlotte. »Der Vorname ist Klaus. Könnte es sein, dass er in Ihrer Gemeinde in der Kleiderkammer arbeitet?«
    »In unserer Kleiderkammer?«, fragte der Pfarrer überrascht. »Da müssen Sie sich täuschen. Eine Kleiderkammer gab es noch nie in unserer Gemeinde. St. Elisabeth ist nur eine kleine Gemeinde, müssen Sie wissen. Selbst wenn wir es wollten, könnten wir keine Kleiderkammer bei uns einrichten. Wer sollte sich darum kümmern? Ehrenamtliche Mitarbeiter gibt es so gut wie nicht mehr. Ein intaktes Gemeindeleben mit Jugendarbeit, Altensorge und sozialem Engagement, wie es eine Kleiderkammer ist, finden Sie heute immer seltener.«
    Charlotte war irritiert. Katrin Ortrup hatte ihr doch erzählt, dass ihre Mutter seit Jahren für die Kleiderkammer tätig war. Zwar hatte sie erwähnt, wie überrascht sie gewesen sei, als sie viele der alten Kleidungsstücke auf dem Dachboden wiedergefunden hatte, die ihre Mutter eigentlich hatte weitergeben wollen, dennoch war das Ganze seltsam. Sollte sie eine andere Gemeinde gemeint haben? Nein, eine Verwechslung war ausgeschlossen. »Wissen Sie, welche Kirchengemeinden in Münster eine Kleiderkammer betreiben?«
    »Nur die großen Gemeinden«, sagte der Pfarrer. »St. Paulus hat eine und St. Lamberti meines Wissens auch. Ansonsten haben die Wohlfahrtsverbände Kleiderkammern, zum Beispiel die Caritas. Aber ob dort ein Klaus arbeitet, weiß ich beim besten Willen nicht.«
    »Hat Frau Wiesner Ihnen die ausrangierte Kleidung vielleicht für andere Zwecke anvertraut? Für ein Kinderheim oder für die Obdachlosenhilfe?«
    Pfarrer Baumgarten schüttelte den Kopf. »Frau Wiesner hat mir noch nie irgendwelche Kleidungsstücke gebracht.«
    »Wie gut kennen Sie eigentlich die Wiesners?«, fragte Charlotte unvermittelt.
    »Ich kenne Frau Wiesner besser als den verstorbenen Herrn Wiesner«, sagte der Pfarrer. »Ihn habe ich im Grunde genommen kaum gekannt. Frau Wiesner dagegen besucht regelmäßig die Messe. Da kommt man schon mal ins Gespräch. Außerdem legt sie die Beichte bei mir ab. Aber sich sozial zu engagieren in der Kirche … nein, das tut Frau Wiesner nicht.« Er überlegte. »Ich habe vielmehr den Eindruck, dass der Besuch der Messe … wie soll ich sagen … eine Art Flucht ist für sie. Ich bin sicher, ihr Glaube hat ihr geholfen, in der Vergangenheit manches besser zu ertragen.«
    Charlotte wurde hellhörig. »Was meinen Sie damit?«
    »Bitte, das ist nur eine Vermutung«, sagte der Pfarrer ausweichend.
    »Das glaube ich Ihnen nicht. Was musste sie denn ertragen?«
    »Gott hält immer wieder Prüfungen für uns bereit, denen wir uns stellen müssen und …«
    »Pfarrer Baumgarten, bitte. Kommen Sie zum Punkt«, unterbrach Charlotte ihn.
    Der Geistliche wandte sich zum Altar, nahm die Bibel und schloss sie. »Der Glaube kann Trost spenden, wenn man in einer schwierigen Lage ist«, sagte er schließlich. »Und auch Frau Wiesner hat in gewisser Weise Trost gebraucht.«
    Charlotte seufzte. Das ewige Glaubensgerede ging ihr allmählich auf die Nerven. »Warum brauchte Frau Wiesner denn Trost?«
    »Hören Sie, darüber möchte ich nicht sprechen«, sagte der Pfarrer. »Das sind Dinge, die man sich in der Gemeinde so erzählt.«
    »Lieber Herr Pfarrer«, sagte Charlotte scharf. »Ein Kind ist entführt worden, und es scheint, als gebe es eine Verbindung zwischen der Täterin und dem verstorbenen Herrn Wiesner.«
    »Mein Gott, das wusste ich ja nicht!« Er war kreidebleich geworden.
    »Also, was erzählt man sich so?«, fragte Charlotte ungeduldig.
    Pfarrer Baumgarten räusperte sich und senkte die Stimme. »Ihr Mann hat sich vor vielen Jahren um Prostituierte gekümmert und sie kostenlos medizinisch versorgt.«
    »Ich weiß. Und?«
    Er atmete tief durch. »Frau Wiesner hatte angeblich den Verdacht, dass es nicht dabei geblieben ist«, sagte der Pfarrer zögerlich.

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