Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
es mir anders überlege.“
Wie angewurzelt stand Karolina da. Eben noch hatte sie um ihr Leben gezittert, und nun schickte die Gräfin sie einfach fort, ohne Erklärung.
Doch sie konnte die arme Adela hier nicht allein zurücklassen.
„Ich gehe nicht ohne meine Freundin.“ Karolina reckte ihr Kinn vor.
„Das müsst Ihr aber. Schließlich ist sie meine Zofe, und ich bestimme über ihr Schicksal. Wenn Euch Euer Leben lieb ist, dann geht.“
„Elisabeth, ich verstehe dich nicht. Du kannst sie doch nicht einfach so laufen lassen! Sie ...“
Der finstere Blick, mit dem die Gräfin Anton Drazice bedachte, ließ ihn verstummen.
Plötzlich begann alles um Karolina zu kreisen. Sie geriet in einen Strudel, der sie in die Tiefe zog. Die Gegenstände, die Personen wurden zu Zerrbildern, die Stimmen verwischten und glichen dem Säuseln des Windes. Irgendetwas hob sie hoch und wirbelte sie durch die Luft. Sie gab sich einfach dem Treiben hin, schloss die Augen und fiel in die Dunkelheit.
6 .
Karolina erwachte aus der Ohnmacht durch das eigene Zähneklappern. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass sie im Schnee lag. Sie fror entsetzlich und ihre Finger, steif und taub vor Kälte, tasteten vergeblich nach dem wärmenden Muff. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war der Strudel, der sie mitgerissen hatte, und von dem sie nicht sagen konnte, was er eigentlich war. Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier gelegen hatte. Jedenfalls zu lange. Fragen schwirrten durch ihren Kopf, was mit Adela geschehen würde und weshalb die Gräfin sie hatte gehen lassen. Fragen, auf die sie keine Antwort wusste.
Mühsam rappelte sie sich auf und klopfte sich den Schnee von der Kleidung. Sie musste Adela aus der Gewalt der Vampire befreien. Angesichts der Gefahr, in der die Freundin steckte, wurde ihr übel. Allein könnte sie Adela nicht aus dem Schloss retten. Sie brauchte Hilfe. Carlotta war zu weit entfernt, und Vater würde sich weigern, einem Zimmermädchen zu helfen.
Sofort dachte sie an den Fürsten Karolyí: Ihn wollte sie aufsuchen und um Hilfe bitten.
Zitternd vor Kälte stapfte sie auf der Suche nach Marek und der Kutsche durch den Schnee. Es war dunkel, über ihr glänzte die silberne Mondsichel am schwarzen Himmel. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, bis sie erkannte, nicht weit vom Dienstboteneingang entfernt zu sein. Von Weitem sah sie davor ihre Kutsche und atmete erleichtert auf.
Sie stolperte über ihre eigenen Füße und fing sich gerade noch mit der Hand ab.
„Marek!“, rief sie, erhielt aber keine Antwort.
Der Kutscher saß nicht auf dem Kutschbock. Er war weit und breit nicht zu sehen. Ihr blieb keine Zeit, wenn sie Adela retten wollte. Sie dachte wieder an deren Erzählungen über das nächtliche Treiben im Schloss und erschauerte bei dem Gedanken, der Freundin könnte etwas zustoßen.
Sie sprang auf den Kutschbock, ergriff die Zügel und schnalzte mit der Zunge.
Das Pferd fiel in Trab.
Schnee fiel in großen Flocken herab und behinderte die Sicht.
Dennoch trieb Karolina das Pferd zur Eile an, das sofort die schmale Straße im rasanten Galopp entlang preschte, vorbei an den schneebedeckten Feldern, bis zum Waldrand. Die Baumspitzen reckten sich dem fahlen Mondlicht entgegen.
Geschickt lenkte sie die Kutsche auf dem schmalen Waldweg zwischen den schneebeladenen Zweigen des Nadelwaldes hindurch.
Die Kutsche raste um die Kurve und drohte zu kippen. Unbeirrt schwang Karolina die Peitsche.
Plötzlich scheute das Pferd, verließ den Weg und rannte blindlings in den Wald. Karolina verlor die Kontrolle, die ledernen Zügel schnitten sich in ihre eiskalten Hände. Eisern umklammerte sie die Zügel und versuchte, das durchgehende Pferd mit der Stimme zu beruhigen. Doch der Gaul rannte wiehernd, wie von Sinnen, durch das dichte Schneegestöber in die Dunkelheit. Tränen liefen über ihre Wangen, die im eisigen Wind gefroren. Sie spürte, wie ihre Kräfte schwanden und ihre Hände vor Kälte immer steifer wurden. Verzweifelt betete Karolina um den Mut, von der Kutsche zu springen. Doch bei diesem Tempo war es lebensgefährlich. Außerdem konnte sie die verkrampften Hände nicht mehr vom Zügel lösen. Sie schrie aus Leibeskräften um Hilfe.
Dann hielt die Kutsche abrupt an, das Pferd stieg ins Geschirr, während Karolina vom Kutschbock hinunter kopfüber in den Schnee stürzte. Das Pferd stand schnaubend und zitternd da. Angsterfüllt rollte es die Augen, Schaum tropfte aus seinem Maul.
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