Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
führte direkt über die Brücke in die Stadt.
Die Pferde preschten in halsbrecherischem Tempo durch den Schnee, der zu allen Seiten stob.
Plötzlich hielt die Kutsche an. Stille. Das Surren war verklungen. Dominik lauschte.
„Los! Raus! Nicht umsehen!“, rief Dominik und schob die verdutzte Adela aus der Kutsche.
Als er Karolinas Ellbogen ergriff, um mit ihr das Gleiche zu tun, zögerte sie.
„Werde ich Euch wiedersehen?“ Sie sah ihn besorgt an.
Ihr Gesicht war dem seinen so nah, dass sie seinen Atem auf den Lippen spüren konnte, was ein angenehmes Prickeln hinterließ.
Er umfasste sanft ihr Kinn und beugte sich vor. Der Kuss versprach die Erfüllung all ihrer Sehnsüchte. Es war nur eine leichte, verhaltene Berührung, und doch, in ihr brannte ein Feuer der Leidenschaft, das nach mehr verlangte.
Ewig hätte sie die Süße des Kusses genießen können.
„Werde ich Euch wiedersehen?“, flüsterte sie erneut.
Er lächelte. Da war er wieder, dieser warme Glanz in den eisblauen Seen.
„Wir treffen uns vor dem Haus Eurer Tante, bevor die Turmuhr zwei schlägt. Dann müsst Ihr Euer Versprechen einlösen. Aber nun wird es Zeit für Euch zu gehen, Karolina, meine Tapfere. Macht Eurem Namen alle Ehre.“ Er hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.
Dann kletterte sie hastig aus der Kutsche zur zitternden Adela. Über ihren Köpfen kreisten wieder die Schatten.
„Lauft! Lauft!“, schrie Dominik und die Kutsche setzte sich in Bewegung.
Karolina und Adela rafften die Röcke hoch und rannten durch den Schnee in die Dunkelheit.
Ihr Atem schwebte ihnen in weißen Wolken voraus.
Blind folgten sie dem schneebedeckten Weg, dessen Weiß im Dunkeln silbrig schimmerte.
Bereits nach wenigen Metern waren ihre Stiefel vom Schnee durchnässt, aber die Angst verdrängte das unangenehme Gefühl. Adela konnte kaum mit dem Tempo Karolinas mithalten. Keuchend bat sie die Freundin zu warten, aber die trieb sie nur noch mehr zur Eile an.
Adela stolperte und beklagte sich über Seitenstechen, denn sie war das Tempo nicht gewöhnt.
Karolina rannte unbeirrt weiter. Zur Rechten lag unter einer dichten Eisdecke die Moldau. In der Ferne erklang heiseres Hundegebell.
Irgendetwas stimmte nicht, Karolina hielt inne, bis sie sich bewusst wurde, dass es Adelas keuchender Atem war, den sie vermisste. Sie warf einen Blick zurück über die Schulter, was ihren Verdacht bestätigte. Sie drehte sich um und geriet auf dem vereisten Untergrund ins Rutschen. Ihre Füße glitten unter dem Körper weg, und sie prallte hart auf ihr Hinterteil. Sie schimpfte laut. Wo, verdammt, steckte nur Adela? Wütend rappelte sie sich auf und klopfte den Schnee vom Mantel.
Da erklang wieder das Surren. Schatten näherten sich ihnen in hohem Tempo. Die Gewissheit, dass sie entdeckt worden waren, traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
„Adela!“, schrie sie. „Zum Teufel, wo steckst du denn?“
„Hier“, kam es schwach zurück. Da erkannte sie auch schon die Umrisse der Freundin, die aus der Dunkelheit laut schnaufend auf sie zugestolpert kam und dann vornüber in den Schnee fiel.
Mit einem Sprung war Karolina bei ihr, um Adela aufzuhelfen.
„Adela, komm, wir müssen weiter. Sie haben uns gefunden.“
Ängstlich sah Adela nach oben und erstarrte.
„O mein Gott, da sind sie ja!“
Karolina riss sie am Arm mit sich und lief los. Keuchend rannten sie den kleinen Hügel hinab, der in den Hain führte. Adela jammerte und verwünschte ihr Schicksal. Karolina bemühte sich, das Jammern der Freundin zu ignorieren.
Die Schatten nahmen schärfere Konturen an. Ein Vampir steuerte geradewegs auf sie zu.
„Jetzt haben sie uns! Wir werden sterben!“, schrie Adela und blieb so plötzlich stehen, dass Karolina zurückgerissen wurde und fast gestürzt wäre.
Eine fatale Reaktion, die den Vampir in erreichbare Nähe brachte.
„Reiß dich jetzt zusammen!“, herrschte Karolina sie an. Tränen schossen aus Adelas Augen.
„Wir müssen weiter, oder willst du hier sterben?“ Drohend baute sich Karolina vor der Verängstigten auf.
Im gleichen Moment begab sich der Vampir in den Sturzflug, die Arme ausgestreckt, um sie zu ergreifen.
In Panik rannten die beiden Frauen zwischen die Tannen, um sich zu verbergen. Sie liefen um ihr Leben und klammerten sich an die Hoffnung, dass hinter dem Wäldchen das Haus von Carlotta lag, das Sicherheit versprach.
Lachen erklang, das ihnen verriet, wie dicht der Vampir ihnen auf den Fersen
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