Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
Die Armbrust über der Schulter, zupfte sie an ihrem dicken, roten Zopf.
Sie strotzte vor Elan, während sie sich den Gürtel mit dem Schwert umschnallte. Ihre Wangen glühten vor Aufregung wie im Fieber.
„Wohin gehen wir? Zum Friedhof?“, fragte Karolina und überprüfte ein letztes Mal die Anzahl der Silberpflöcke, die sie in ihren Gürtel gesteckt hatte.
„Nein. Eliska hat einen besseren Tipp bekommen. In einem der Stadtpalais, nicht weit vom Hradschin, soll ein geheimes Treffen der Blutsauger stattfinden. Die Gelegenheit können wir uns nicht entgehen lassen. Vielleicht erfahren wir dabei auch mehr über Jiri und seinen geheimen Ruheplatz.“ Malvina straffte die Schultern.
„Aber das ist doch viel zu gefährlich! Und wenn sie uns wittern?“, wandte Adela ein, die ängstlich von einer zur anderen sah.
„Das verleiht dem Ganzen doch den gewissen Reiz.“ Karolina genoss die Jagd bei Dunkelheit, wenn ihr Herzschlag sich im Angesicht der Gefahr beschleunigte. Stand sie dem vampirischen Gegner gegenüber und konnte in dessen Augen sehen, fühlte sie so etwas wie Triumph. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Nach jedem Sieg blieb eine unglaubliche Leere zurück. Das verschwieg sie den anderen.
In den vergangenen drei Nächten hatte sie sich intensiv auf die Jagd vorbereitet. Das beflügelte nicht nur ihren Ehrgeiz, sondern übte ihre Fähigkeiten, die von Tag zu Tag wuchsen. Sie steigerte ihre Schnelligkeit und Treffsicherheit, und sie perfektionierte den Umgang mit den Silbermessern. Es war ihr möglich, selbst in der Schwärze der Nacht ihr Ziel zu treffen, ohne es zu sehen. Carlotta sprach dann von einem angeborenen, sechsten Sinn, der nur den Dceras vorbehalten war.
„Das ist doch nicht dein Ernst.“ Fassungslos sah Adela zu Karolina, die gerade ihre kniehohen Stiefel überstreifte.
„Und ob. Die haben es nicht besser verdient.“ Karolina stopfte ihr blondes Haar unter einen schwarzen Filzhut. Ihre gertenschlanke Figur steckte ebenfalls in einer Lederkluft, schwarz, mit Silberbeschlag auf den Schultern und ebenso schwarzen Handschuhen, die ihr bis fast zu den Ellbogen reichten.
„Wie lange soll das noch so weitergehen? Jede Nacht töten und selbst auf der Schwelle des Todes stehen?“ Adela trat zu Karolina und sah sie eindringlich an. Ihre blassen Lippen zitterten.
„Bis wir Jiri und seinen Clan besiegt haben und Prag eine freie Stadt ist.“
Malvina trat auf Adela zu und lächelte sie herablassend an.
„Nicht jede fürchtet sich vor den Geschöpfen der Nacht. Wir folgen unserer Anführerin.“ Der zuckersüße Ton in Malvinas Stimme provozierte Adela zu einem Entschluss.
„Ich komme diesmal mit.“ Trotzig schob sie ihr Kinn vor.
„Wenn das man nicht zu gefährlich für kleine Weibchen wie dich ist.“
„Sei still, Malvina“, wies Karolina sie zurecht. Selbst wenn Adela sich vor allem fürchtete und ihr nicht als Dcera auf die Jagd folgte, verdiente sie keinen beißenden Spott.
Malvina schürzte beleidigt die Lippen und schwieg.
Als sie von unten Carlottas drängendes Rufen vernahmen, verließen sie eilig das Zimmer.
Feuchte, kalte Nachtluft schlug ihnen entgegen, aber Karolina spürte sie kaum. Sie hatte gelernt, die Dunkelheit zu lieben. Sie barg eine beruhigende Stille, nach der sie sich sehnte. Wenn sie jagte, vergaß sie für eine Weile ihre Einsamkeit und die brennende Sehnsucht.
Stolz thronte die mächtige Burganlage über ihnen, deren Silhouette sich vom Himmel abhob.
Dieses Mal wählten sie nicht den Weg durch die Katakomben, sondern bewegten sich lautlos im Gänsemarsch durch die regenfeuchten, menschenleeren Straßen, die zur Burg emporführten. So konnten sie eine nahende Gefahr früh erkennen. Beim letzten Mal waren sie von einem Vampir am Ausgang der Katakomben überrascht worden. Nur Karolinas scharfem Spürsinn und ihrer schnellen Reaktion war es zu verdanken gewesen, dass keiner von ihnen verletzt worden war.
Keine von ihnen sprach ein Wort, als sie dicht gedrängt an den Häusern entlang liefen.
Hin und wieder warf Karolina einen flüchtigen Blick zurück. In den vergangenen Tagen war Dominik ihr immer gefolgt. Doch in dieser Nacht hatte er scheinbar die Verfolgung aufgegeben. Eine gewisse Enttäuschung machte sich in ihr breit. Jede Nacht träumte sie von ihm, und wie sie sich leidenschaftlich liebten. Doch immer endete der Traum schrecklich, Dominik beugte sich über den Hals einer Frau und biss hinein. Er saugte sie leer, bis sie ebenso schlaff
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