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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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berühren zu lassen, und sie zog sich einen Hocker heran. Jetzt war es an ihr, Erleichterung zu verspüren, als sie seinen Arm nahm und nichts geschah. Seine Haut war blass und kühl, mit einem leichten Ausschlag oder Schürfwunden auf dem Handrücken. Seine Hände wiesen keine Schwielen von körperlicher Arbeit oder dem Umgang mit einem Schwert auf. Sie untersuchte das Handgelenk, ertastete die Sehnen und die feinen Knochen und ignorierte sein Zusammenzucken – sie provozierte es sogar. Er erlaubte ihr, ihm wehzutun, und erduldete es stumm. »Ich glaube auch nicht, dass das Handgelenk gebrochen ist«, stellte sie schließlich fest.
    Er entspannte sich, während sie ihm den groben Verband geschickt um die Innenfläche seiner Hand und seinen Daumen wickelte. »Erinnerst du dich noch«, fragte er, »dass du mir eine Arznei gegen meinen Kater gemischt hast, nachdem meine Freunde und ich das Bestehen unserer Abschlussprüfungen gefeiert hatten?«
    Sie erinnerte sich. Sie hatte sich Sorgen um ihn – um Balthasar – gemacht, da er so elend krank gewesen war. Als sie sein Handgelenk verbunden hatte, meinte sie: »Wir sollten etwas essen.«
    Obwohl es sie ein wenig überraschte, hatte Tempe tatsächlich auf Balthasars und ihre Bitte hin reagiert und ihnen einen Schreiber geschickt, der sowohl die Aussage des Gefangenen als auch ihre eigene in seiner tadellosen Kurzschrift aufnahm. Der Bericht des Gefangenen war präzise und zeugte von guter Beobachtungsgabe und schloss Einzelheiten über Aussehen und Körperhaltung ein. Die Magierin musste recht haben; er konnte sehen.
    Oder er war nachtgeboren und Balthasar Hearne.
    Sie musste es um ihrer eigenen geistigen Gesundheit willen wissen.
    Der Schreiber sammelte seine Utensilien zusammen und machte Anstalten, sich zu erheben. Der Gefangene bat: »Warten Sie.« Als der Schreiber ihn ansah und seinen Blick von diesen beunruhigenden Augen abwandte, fügte Balthasar hinzu: »Ich möchte Sie bitten, eine weitere Aussage unter dem Siegel der Richterschaft aufzunehmen.«
    Unter dem »Siegel der Richterschaft« bedeutete, dass die Aussage schriftlich aufbewahrt werden würde. Die Richter betrachteten die Vertrauenswürdigkeit ihrer Dokumente als ebenso unantastbar wie der Tempel seine Verträge.
    Der Schreiber sah Floria fragend an, und sie nickte langsam. Wer oder was auch immer ihr Gefangener war – wahnsinnig oder geistig gesund – , er kannte die lichtgeborenen Gesetze, und nach diesen stand es ihm zu, eine solche Aussage zu machen.
    »Es könnte ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Wollen Sie etwas essen oder trinken?«
    Der Mann schüttelte energisch den Kopf, und Floria spürte ihren Mundwinkel zucken. Natürlich nicht; nicht in der Gegenwart einer berüchtigten Leibgardistin und Attentäterin, deren magischer Schutz sie immun gegen Gifte machte.
    Mit bedächtiger Stimme begann der Gefangene zu sprechen: »Mein Name ist Balthasar Hearne, und ich bin Arzt, geboren als Nachtgeborener in der Stadt Minhorne. Ich bin ein Erwachsener von gesundem Geist und ein Bürger von gutem Ansehen. Ich mache diese Aussage aus freiem Willen, um mein Wissen über die Schwierigkeiten aufzeichnen zu lassen, die Minhorne heimgesucht haben, insbesondere die Niederbrennung der Flussmark, das Attentat auf Prinz Isidore und die Zerstörung des Magierturms.«
    Floria kannte einen Teil der Geschichte, aber nicht die ganze, und in der Tat wusste sie nicht, was in Stranhorne und danach geschehen war. Sein Bericht über Hauptmann Rupertis’ Hochverrat und Tod ließ sie mit geballten Fäusten aufspringen. Sie läutete nach einer Wache und verlangte, dass Rupertis zu ihr herunterkommen solle. Der Wachmann teilte ihr mit, Rupertis habe sich nicht zurückgemeldet, nachdem er am Tag in einem Auftrag unterwegs gewesen sei. Danach konnte sie sich nicht wieder hinsetzen, sondern ging auf und ab, während der Mann in der Mitte des Raums saß und ruhig seine Geschichte erzählte. Während des Berichtes geriet die Hand des Schreibers mehrmals ins Stocken, ebenso wie die Stimme ihres Gefangenen, aber er erzählte bis zum Ende, hörte zu, als ihm seine Aussage noch einmal vorgelesen wurde, und unterzeichnete sie mit einer zittrigen, aber erkennbaren Schrift auf dem letzten Blatt. »Legen Sie das Mistress Tempe vor, wenn Sie so freundlich sein wollen.«
    Er schaffte es, seine Haltung zu wahren, bis der Schreiber gegangen war, dann bettete er sein Gesicht in die Hände.
    Ihre letzte Ungläubigkeit war zerbröckelt, während

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