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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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heute dachte er wie ein Wachmann und schenkte der Stadt außerhalb der Palastmauern weit mehr Aufmerksamkeit als die meisten anderen Leibgardisten.
    »Lapaxo, warum sind Sie hier?«
    Lapaxo drehte sich zu Balthasar, um ihn anzusehen. Florias Hand wanderte zu ihrem Revolver, als Lapaxo eine Hand in seinen Wamsbeutel schob und ein bedrucktes Stück Papier hervorholte. »Zwei Dutzend Abschriften hiervon sind zusammen mit den Berichten von den nachtgeborenen Agenten im Postsack angekommen. Das Schreiben wurde durch jeden zweiten Postschlitz geschoben, der eine Öffnung zur Nacht hat, und ich bezweifle nicht, dass über Nacht noch Hunderte weitere in der Stadt verteilt worden sind.«
    Der Bogen war bedruckt mit soliden schwarzen Buchstaben auf dünnem weißen Papier von lichtgeborener Machart – das Papier der Nachtgeborenen nahm meist nur schlecht Tinte an –, aber die Nachricht war inhaltlich unverkennbar nachtgeboren, und die Druckbuchstaben konnten mit Fingerspitzengefühl genauso leicht wie mit Augenlicht gesetzt werden. In schlichter Sprache wies das Schreiben die Verantwortung für das Niederbrennen der Flussmark, die Ermordung des Prinzen und die Zerstörung des Turms den Schattengeborenen zu, die die Völker auf beiden Seiten des Sonnenaufgangs derart beeinflusst hatten, dass sie für sie arbeiteten. Es beschuldigte den Tempel, seine vertraglichen Pflichten zum Schutz der Erdgeborenen verletzt, und ihre Prächtigkeiten, die Katastrophe ausgenutzt zu haben, um von den Nachtgeborenen zu verlangen, ihre Rechte auf die Stadt an die Lichtgeborenen abzutreten. Es bat die Leser um Unterstützung beim Widerstand gegen diese Ungerechtigkeit.
    Sie las das Schreiben Balthasar langsam laut vor, sodass Lapaxo sehen konnte, wie er beim Zuhören vor Zorn zuerst rot und dann blass wurde. Balthasar nahm ihr das Schreiben aus der Hand und strich mit den Fingern über die glatte Oberfläche. »Das hatte er also gemeint.«
    »Wer?«, fragten Floria und Lapaxo wie aus einem Mund.
    »Der Erzherzog sprach von anderen Maßnahmen. Was er damit meinte, wollte er mir nicht sagen. Aber wir wissen, wie aufrührerisch einige aus Ihrem Volk gegen ihre Prächtigkeiten und den Tempel sind. Das Schreiben beabsichtigt, ihren Zorn von den Nachtgeborenen ab- und auf ältere Ärgernisse hinzulenken.«
    Sie erinnerte sich an die Meute, die sie draußen vor dem Bolingbroke-Bahnhof angetroffen hatte, und stellte sich vor, wie sie gegen die Tore des Palastes selbst stürmte und nach dem Blut ihrer Prächtigkeiten johlte.
    »Sie haben ihn so in die Enge getrieben, dass er mit dem Rücken zur Wand steht«, meinte Lapaxo anerkennend, obwohl sie nicht sagen konnte, ob seine Anerkennung der lichtgeborenen Strategie oder der nachtgeborenen Reaktion galt. »Dies könnte sehr effektiv sein. Der Funke wurde bereits an das Zündholz gehalten – das haben wir gestern gesehen. Das wird Öl in die Flammen kippen. Wer wird brennen? Wir werden es nach Sonnenaufgang wissen. Verraten Sie mir eins, Hearne – und Sie sollten wissen, dass ich es mir bestätigen lassen kann –, wurden Sie als Anstifter ausgeschickt?«
    »Nein«, antwortete Balthasar mit Nachdruck. »Ich habe nichts von alledem gewusst, und wenn, dann hätte ich damit nichts zu tun haben wollen. Und ich werde dies vor Mistress Tempe beteuern oder vor wem auch immer Sie wollen.«
    Floria wartete ab, bereit, Lapaxos ersten Angriff zu kontern. Er wusste um ihre Kampfbereitschaft, seufzte aber nur. »Sie sollten ihn besser von hier wegbringen«, sagte er zu ihr. »Anderenfalls ist er ein toter Mann.«
    »Ich gehe nirgendwohin«, erklärte Balthasar.
    Trotz seines Scharfsinns war ihm die Bedeutung von Lapaxos Seufzer entgangen. Balthasar selbst war der Funke für das Öl, ein lebender Beweis, dass die Schattengeborenen existierten. Je weiter er den Glauben an sich selbst verbreitete, desto stärker verbreitete er den Glauben an die Behauptungen in diesen Papieren. Dass er Lapaxo von seiner Unschuld überzeugt hatte, sorgte lediglich dafür, dass der Hauptmann die Unausweichlichkeit seines Todes bedauerte.
    Florias Blick wanderte zum Hinterkopf seines dunklen Schopfes. Ein Schlag würde genügen, doch wenn er benommen war, würde er nicht mehr selbstständig laufen können, und vor dem Sonnenaufgang konnte sie ihn nicht nach draußen tragen. Obwohl Lapaxo ihr vielleicht helfen würde.
    Dann drehte Balthasar den Kopf, und sie dachte für einen Moment, er habe irgendwie ihren Gedanken erraten, doch seine

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