Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
dass die Magier überhaupt vorhatten, unter irgendeinem Gleichgewicht der Mächte zu kämpfen. Er befürchtete, der Tempel sei zu dem Schluss gekommen, seine Loyalität läge bei der Magie, ganz gleich, welcher Natur diese war. Aber das konnte er den Nachtgeborenen nicht sagen, damit er ihre Feindseligkeit gegenüber Magie nicht vertiefte. Oder war es das, was Vladimer gemeint hatte, als er sagte, der Zug des Tempels sei nicht unerwartet gewesen? »Ich könnte noch weitere Gründe auflisten, aber Genaueres werde ich erst wissen, wenn ich den Tempel frage.«
»Das mag zwar Ihre Neugier befriedigen, Prinz Fejelis, und für diesen Beweggrund habe ich vollstes Verständnis, aber was werden Sie tun, wenn Sie es herausgefunden haben?«
Jovances Stift trommelte ein leises Stakkato auf ihr Papier und hinterließ Tintenpunkte. Er lächelte ihr zu. Offensichtlich war Fürst Vladimer es gewohnt, eine Reaktion zu provozieren, und es dann anderen zu überlassen, die Wogen wieder zu glätten. Sejanus Plantageter verstand sich hervorragend darauf. »Wie geht es Ihrem Bruder, dem Erzherzog, Fürst Vladimer? Ich habe zuvor einige schlechte Neuigkeiten über ihn gehört.«
»Falls Sie fragen, ob ich die Autorität zum Verhandeln besitze«, antwortete Vladimer, »die habe ich.«
»Es freut mich, das zu hören, aber nein. Ich habe gefragt, weil ich es beruhigend fände, Sejanus Plantageter auf der anderen Seite des Sonnenuntergangs vorzufinden, wenn ich nach Minhorne zurückkehre, und keinen Regentschaftsrat.« Bestehend aus Heuchlern und alten Männern , dachte er.
Sind denn jene besser, die im Palast das Sagen haben?, fragte eine innere Stimme, die erstaunliche Ähnlichkeit mit der seines Vaters hatte.
»Zumindest über Mycene müssen Sie sich keine Sorgen mehr machen«, erwiderte der Nachtgeborene. »Ich habe vorhin ein Telegramm erhalten, in dem mir mitgeteilt wurde, er sei von einem Schattengeborenen getötet worden. Der gegenwärtige Herzog Mycene kämpft am Bahnknoten von Stranhorne gegen die Schattengeborenen. Kalamay lebt noch, aber ich hege keinen Zweifel, dass sich Sejanus um ihn kümmern wird. Mein Bruder ist wohlauf.«
Das war eine Erleichterung, aber es ließ etliches unausgesprochen. Fejelis wusste sehr wohl, dass Plantageter strikt gegen die Magie in seiner Stadt war, aber trotz seiner Vorurteile bestand der Erzherzog dem Wort und dem Geist des Gesetzes nach auf einer pingeligen Einhaltung der lichtgeborenen Rechte. Fejelis konnte nur hoffen, dass sich daran nichts geändert hatte. »Die Verletzung war magischer Natur, nicht wahr?«
»Ja, indirekt waren Schattengeborene dafür verantwortlich.«
Aus Großzügigkeit – oder aus politischem Kalkül – ließ er Tams Anteil daran unerwähnt. Hegte Vladimer vielleicht den Verdacht, Fejelis wusste bereits mehr von Tam, als er zugab?
Vladimer und Verdacht? War sein Name nicht ein Synonym für Verdacht? Also schön. Er würde Vladimers Vertrauen auf die Probe stellen. »Wie sieht Ihr Plan aus, Fürst Vladimer?«
»Ich will das Herrenhaus Stranhorne und die jenseits liegenden Gebiete zurückerobern«, antwortete Vladimer. »Wir haben die ganze Nacht per Zug Verstärkungen und Reserven von Strumheller und Telemarch zum Bahnknoten Stranhorne und weiter entlang der Grenze gebracht, aber unglücklicherweise sind unsere Möglichkeiten, auch tagsüber Verstärkung zu schicken, durch die Gestaltung dieses Bahnhofs begrenzt. Des Weiteren hat Stranhorne zusätzliche Verstärkung von den Gütern und Städten in den inneren Grenzlanden erhalten, darunter auch von den Ländereien Mycenes, sodass sie beinahe die Anzahl der Männer erreicht haben, die sie auch beherbergen können.«
Fejelis atmete aus. Vladimer schien also doch bereit zu sein, ihn als einen Verbündeten zu behandeln. »Sowohl Magister Tammorn als auch Magistra Jovance warnten mich, dass es sich um sehr mächtige Magier handelt. Wenn Sie auf sie treffen sollten, werden Sie hohe Verluste erleiden, ohne damit etwas zu erreichen.«
»Stranhorne hat die volle Unterstützung der Baronien«, sagte Baron Strumheller – oder knurrte es vielmehr.
»Sollte es zu einem Kampf kommen, könnte das passieren«, erklärte Vladimer mit ruhiger Stimme. »Aber das bedeutet trotzdem nicht unsere Niederlage. Ishmael – der ehemalige Baron Strumheller – hat an meinem Bett einen schattengeborenen Magier getötet, zugegebenermaßen mit der Hilfe von Prinzessin Telmaine hier.«
Rang?, kritzelte Fejelis, und Jovance antwortete:
Weitere Kostenlose Bücher