Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
Glocke hören würden, wenn das Aussteigen für sie sicher war. Sie warteten mehr oder weniger schweigend. Bei dem Lärm draußen waren Gespräche schwierig, und die Anspannung machte einen Flirt unmöglich. Orlanjis saß auf der anderen Seite neben ihm auf dem Boden. Doch sein kleiner Bruder gab nur eine unachtsame Anstandsdame ab, denn als sie hörten, wie der Riegel zurückgeschoben wurde, war Orlanjis mit dem Kopf an Fejelis’ Schulter gebettet eingenickt.
»Warten Sie, bis Sie die Glocke hören«, sagte die Stimme von draußen. »Die lichtgeborenen Quartiere befinden sich am westlichen Ende des Bahnsteigs. Sie sehen es an der Beschilderung, falls Sie noch nie hier waren. Sobald Sie sich drinnen befinden, die Tür geschlossen haben und bereit sind, betätigen Sie den Schalter, um die Glocke abzuschalten, damit wir Bescheid wissen. Der Baron und einige andere werden in Kürze zu Ihnen herunterkommen.« Er klopfte abermals an die Tür, und sie hörten am Stiefelklacken, wie er sich entfernte.
Nathan half seiner Mutter beim Aufstehen, und sie schob sich ihre Krücken unter die Arme. Er hätte sie mühelos tragen können, aber obwohl Fejelis sie noch nicht lange kannte, hegte er keinen Zweifel, wie sie darauf reagieren würde. Er rüttelte Orlanjis wach und widerstand der Versuchung, ihn mit der Bitte zu ärgern, er möge die Formalien eines Vertrags bezeugen, allerdings weniger aus Rücksicht auf Orlanjis als auf Jovance. Als sie die Glocke hörten, öffnete Nathan die Tür und ließ die kühle Nachtluft ein. Zitternd stiegen sie aus.
Der Bahnknoten von Strumheller war ein offener Bahnhof. Er hielt nicht inne, um sich umzusehen. Er war sich der Großzügigkeit ihrer Gastgeber bewusst, die in einer solchen Nacht einen Teil ihrer kostbaren Stunden der Dunkelheit opferten. Die lichtgeborenen Quartiere ließen sich leicht erkennen, selbst ohne das bemalte Schild. Das einzige Gebäude, dessen Malereien wirklich Zier und nicht nur praktischer Natur waren. Die Tür, die Zierelemente und die an den Seiten angebrachten Paneele waren leuchtend bunt in einem ländlichen, leicht schrillen Stil bemalt. Für gewöhnlich hätten auf den Paneelen Aushänge geklebt, aber hier gab es niemanden, der sie gelesen hätte.
Sie schlossen die Tür hinter sich und waren dankbar für die steinernen Mauern zwischen sich und der Nacht. Das überraschend große und gut beleuchtete Gebäude konnte ein Dutzend Menschen in drei Schlafzimmern und einem mit sechs Betten ausgestatteten Schlafsaal beherbergen. Den Mangel an Aushängen draußen machten die vielen Hinweise im Inneren wett, auf denen Bekanntmachungen und Anweisungen standen, die Nathan und Celeste ignorierten. Sie nahmen ihre Lieblingszimmer in Beschlag.
Jovance legte den Schalter um, schaltete die Glocke aus und sagte: »Zum Konferenzraum geht es hier entlang.« Sie führte sie in einen Raum von bescheidener Größe, beherrscht von einem langen Glastisch und einer ebenso langen Glasanrichte. Sechs Stühle lichtgeborener Machart standen an einer Seite des Tisches, sodass jene, die darauf Platz nahmen, etwas anblickten, das wie ein großes Aquarell auf Papier aussah, über das ein feiner Silberdraht gespannt war: die Papierwand. Hinter der Malerei würden sich mehrere Lagen von undurchsichtigem Schwarz befinden. Orlanjis, der nicht viel mit Nachtgeborenen zu tun gehabt hatte, beäugte die Konstruktion skeptisch. Sie wirkte leicht zerreißbar. Jedes Loch in der Wand würde für die Nachtgeborenen gefährlicher sein als für sie selbst. Jovance fragte: »Soll ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Eure Prächtigkeiten?«
Sie drängte ihn in seine Rolle zurück, er vermutete, dass er dafür dankbar sein sollte. »Ich bin mir nicht sicher, ob mein Magen mehr verträgt als Bedeeth-Tee«, antwortete er, »aber ich brauche etwas, das mich wach hält. Es war eine lange Nacht.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, erwiderte sie und ging.
Orlanjis sagte leise: »Fejelis, sie ist eine Magierin .«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass keine Verhexung im Spiel ist«, gab Fejelis zurück.
»Das meinte ich nicht«, sagte Orlanjis. »Ich meine, sie gehört sich nicht als deine Gefährtin. Und falls es dir nicht ernst ist, ich meine … « Zu Fejelis’ gut verborgener Erheiterung lief er dunkelrot an. Allem Anschein nach besaß sein verwöhnter jüngerer Bruder ein Gefühl für Moral in romantischen Angelegenheiten.
»Ich könnte es ziemlich ernst meinen. Aber wir werden uns dann damit
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