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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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würde die Schelte akzeptieren, wohl wissend, dass Fejelis nicht in untätiges Elend versunken wäre. Er hoffte, dass Fejelis es verstehen würde und er etwas für seinen Verrat wiedergutmachen konnte. Die Hohen Meister hatten ihn ausgesandt, um für sie selbst – den Tempel – Verhandlungen zu führen, und er hatte keine andere Wahl gehabt, aber er würde auch für Fejelis und die Erdgeborenen verhandeln, wenn er konnte.
    Dieser Gedanke trieb ihn dazu, sich genauer umzusehen. Seine Augen schienen sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, und mit jeder verstreichenden Minute wurde sie weniger undurchdringlich. Auf den kahlen Hügeln, die ihn umgaben, lag sogar ein dünner Lichtschimmer von dem zu drei Vierteln gefüllten Mond, der im Osten aufging – wie der Glanz auf einem von Beatrices Töpfen.
    Beatrice … Vor Jahren hatte er ihr inmitten der Scherben von glasierten Töpferwaren und Fliesen und zwischen den noch verbliebenen Streben der Regale und Werkbänke versprochen, sie zu beschützen, und dass sie die Tyrannen ihrer eigenen Gilde nie wieder zu fürchten brauchte. Wegen dieses Versprechens war sie zu ihm gekommen. Aber er hatte es nicht halten können. Der Tempel würde sich seine Kinder gewiss noch einmal ansehen, und wenn die Magier es wollten, würden sie ihre Erziehung übernehmen.
    Er schauderte. Er spürte den kalten Nachtwind, der im Mondlicht herbeiwehte. Seine Kleidung war für das beheizte Innere des Palastes und des Tempels gefertigt. Er stand auf einem Lehmpfad eines mit Heide und Farnen bewachsenen Hangs. Er kannte solche Lehmpfade, denn er hatte seine Jugend damit verbracht, Herden über sie zu treiben, die Jahr um Jahr geschrumpft waren, weil er die Tiere für die Steuern verkaufen musste. Der Boden hier war noch ärmer als die Erde in den Vorhügeln von Wolkenherden. Aber dieses karge Land war nachtgeboren, hier kümmerten sich die Barone, wenn ihr Volk hungerte. Er lächelte bitter in die Dunkelheit. Wenn es nur ihre Prächtigkeiten gewesen wären, die litten, dann hätte er nichts für die Erdgeborenen getan – die Rache eines Bauernmagiers für die Jahrhunderte der Unterdrückung.
    Durch das Mondlicht wirkte die Nacht jetzt schwärzer als zuvor. Es warf Schatten, die weitaus dichter zu sein schienen als die des Sonnenlichts. Die Schattenseite der Hügel, die Wurzeln der Farne, die Ränder des Pfades – all das wirkte, als sei es aus der Welt herausklappt worden. Er schauderte und hob den Blick zu einem Himmel so voller Sterne, die selbst ein lichtgeborenes Auge sättigten. Er hatte seit über dreißig Jahren nicht mehr freiwillig die Sterne betrachtet, seit dem Mord an seinem jüngeren Bruder, aber selbst damals hatte er ihre volle Pracht niemals gesehen. Wäre Artarian hier gewesen, hätte er sich auf die nachtfeuchten Farne geworfen, die grünen Augen weit aufgerissen vor Staunen, und sich bis zum Sonnenaufgang nicht geregt.
    Magie wallte auf, so plötzlich, nah und schattengeboren, dass er hörbar schluckte. Dreißig Meter den Pfad hinunter erkannte er die Umrisse eines Mannes, zuerst kurz dunkel und dann gleißend hell erleuchtet. Tam starrte auf die rechte Hand der Person, die das Licht zu halten schien, obwohl es seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen schmerzte. Hinter dem Licht stand eine große, aber nicht gänzlich kontrollierte Macht. Im Tempel hätte der Mann nach Vollendung seiner Ausbildung vielleicht ein Hoher Meister oder sogar ein Anwärter für das Amt des Erzmagiers werden können. Er spürte, wie die Magie seine Verhexung streifte, und der Mann stieß einen Pfiff aus. »Tammorn, wenn ich mich nicht irre? Ich bin Neill. Emeya hat mich geschickt, um Sie zu treffen.«
    Tam starrte immer noch die Hand des Mannes an und fragte: »Wie haben Sie das gemacht?«
    Neill drehte die Hand mit der Innenfläche nach oben und zeigte den Stab darin, der kalt brannte. »Damit. Es ist ziemlich einfach.«
    »Aber nicht für Lichtgeborene«, sagte Tam. »Unsere Lichter müssen vom Sonnenlicht wieder aufgeladen werden.«
    »Ich werde es Ihnen zeigen, wenn wir eine Gelegenheit dazu finden.« Neill sah aus wie ein Mann von Anfang zwanzig, ebenso wie Tam, der allerdings fast fünfzig war. Trotz seiner Größe wirkte er, als sei er es nicht gewohnt, seine Muskeln zu benutzen, wenn Magie den gleichen Zweck erfüllte. Sein Gesicht war kantig, die Wangen eingefallen, und seine Stirn, sein Kinn und seine Nase hatten etwas Wölfisches. Sein dunkles Haar war gewöhnlich, gewellt und vom Wind

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