Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
seinen Willen zu unterwerfen. Für Letzteres musste sie ihn nicht einmal berühren. Er sagte: »Falls es mich überzeugt, mache ich aus freien Stücken mit. Falls nicht, kämpfe ich gegen Sie mit allem, was ich bin, so kläglich das auch sein mag.«
»So kläglich ist das gar nicht, Ishmael«, gab sie zurück. Sie streckte ihre Hand aus, wie eine Dame es zu einer förmlichen Begrüßung tun mochte. Die Hand hatte eine weiche Haut, keinerlei Schwielen und war jünger als ihr Gesicht. Selbst eine so mächtige Magierin hatte also ihre Eitelkeiten. Ihre Hand zitterte nicht. Seine, so bemerkte er, hingegen schon.
Ihre Hand tatsächlich zu ergreifen, wäre ihm zu intim erschienen. Er hob die Finger und bot die Innenfläche seiner Hand dar. Sie drehte die ihre ebenfalls und legte ihre Innenfläche an seine.
Telmaine
»Ich möchte Sie bei mir haben«, war alles, was Vladimer sagte, als sie die Konferenz mit den Lichtgeborenen verließen. Er war gegangen, bevor Telmaine begriff, dass er sie mit in den Krieg zu nehmen gedachte. Sie eilte hinter ihm her und zwängte sich durch das Gedränge von Menschen, ihre Röcke verfingen sich an aufgestapelten Kisten und aufgetürmten, vollgestopften Taschen.
Sie holte ihn ein, als er den Bahnhofsvorsteher abfing, der versucht hatte, ihm aus dem Weg zu gehen. Kein Wunder, wenn man an das Ende ihrer letzten Begegnung dachte. Der Bahnhofsvorsteher hatte Vladimer erklärt, es gäbe auf dieser verfluchten Erde keine Möglichkeit, in den wenigen Stunden vor Sonnenaufgang einen offenen Bahnsteig in einen geschlossenen umzubauen, und Fürst Vladimer müsse sich an jemand anderen wenden, wenn er Magie oder ein Wunder erwartete. Vladimer fragte ihn nur: »Steht dieser Zug bis zum Sonnenaufgang bereit?«
»Jawohl, das wird er«, antwortete der Bahnhofsvorsteher, und seine Kampfhaltung fiel in sich zusammen. »Er fährt innerhalb der nächsten halben Stunde ab, wenn es nach mir geht, und erreicht Stranhorne knapp zwei Stunden nach Sonnenaufgang. Er hält an, um Späher einsteigen zu lassen, ich will nicht, dass der Zug ohne lichtgeborene Wachen fährt.«
»Gut«, stimmte Vladimer zu. »Lassen Sie mich rufen, wenn der Zug abfahrbereit ist.«
»Jawohl«, sagte der Bahnhofsvorsteher, drehte sich ohne ein Wort der Entschuldigung um und brüllte: »Nein, ihr werdet das nicht dort einladen, es sei denn, ihr wollt in kleine Stücke zerrissen werden.«
Er klang Ishmael so ähnlich, dass ihr das Herz wehtat. Sie bemühte sich um einen herrischen Tonfall und scheiterte. »Fürst Vladimer, habe ich Sie richtig verstanden?«
»Ich bedauere, dass Ihnen keine Zeit bleiben wird, um jemanden zum Herrenhaus zu schicken, der Ihr Gepäck holt, aber ich bin mir sicher, wenn Sie Ihren Charme einsetzen, wären einige dieser Herren entzückt, Ihre Wünsche zu erfüllen.«
Wohl kaum, sofern man bedachte, was sie sich in diesem speziellen Moment wünschte und dass dies nichts mit Gepäck zu tun hatte. »Fürst Vladimer, auf ein Wort, wenn Sie so freundlich wären.«
Er fand keine ruhige Ecke, machte aber eine frei, das Quartett von Männern, das dort stand, strömte wie heißes Wachs davon. »Also«, sagte er, »was verstehen Sie nicht an … «
»Was um alles in der Welt kann ich schon am Bahnknoten von Stranhorne ausrichten? Die Broomes wollen weder, dass ich meine Magie benutze, noch wollen sie mich in ihrer Gruppe haben.« Was demütigender gewesen war, als sie es für möglich gehalten hatte, angesichts der Tatsache, dass man sie gegen ihren Willen in die Magie hineingezwängt und in ihre Gesellschaft gezwungen hatte – nachdem sie sie in ihren Geist eingelassen und ihnen erlaubt hatte, das schattengeborene Geschenk zu erkunden. Nun wussten die Broomes, wie sie sich fühlte, und Telmaine musste zugeben, dass sie wahrscheinlich recht hatten. »Ich bin nicht erfahren genug, aber zu mächtig, um keine Gefahr darzustellen.«
»Darüber hat man mich in Kenntnis gesetzt«, erklärte Vladimer. »Ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Ich weiß, Sie können über einige Entfernung kommunizieren, ohne nachteilige Auswirkungen auf Ihre Kontaktperson zu haben, und mir kam in den Sinn, ich könnte das vielleicht brauchen.«
»Sie denken doch nicht etwa darüber nach, mit den Schattengeborenen zu reden?«, hauchte sie.
Jeglicher Ausdruck wich aus seinen Zügen. »Nein.«
Schweigen trat ein. Sie stand leicht zitternd da und verspürte den Drang, sich zu entschuldigen, obwohl eine solche Frage in dieser Nacht des
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