Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
er scharf die Luft einsog.
Stranhorne schüttelte den Kopf. »Mycene würde es niemals zulassen.«
»Oder er würde auf einer Wache bestehen, die mich begleitet«, meinte Ishmael. »Und das Letzte, was wir brauchen, sind Männer im Trupp, die weniger gut für diesen Kampf ausgebildet sind als wir – oder hast du die Standpauke vergessen, die ich dir und deiner Schwester vor all den Jahren gehalten habe?«
»Niemals«, antwortete sie aus tiefstem Herzen. »Ich werde mich hier nützlich machen, indem ich das Herrenhaus vorbereite.«
»Denkst du«, begann Lavender und klang jetzt jünger, als sie war, »dass es hier zu einem Kampf kommen könnte?«
»Ja, ich glaube, das könnte passieren. Wie du richtig erkannt hast, sind die Zeichen unheilverkündend. Aber zwischen uns und den Schattengeborenen stehen solide Mauern, und selbst ohne sie und ohne das vorgelagerte Glacis würden sie die Stunde bereuen, in der sie sich hierhergewagt haben.«
Nur, dachte er, dass sie Magie haben und diese mächtig genug ist, um es im Spätsommer schneien zu lassen. Lavenders Vater war das bewusst, aber seiner Tochter … Es spielte keine Rolle. Lavender konnte nicht mehr tun, als sie bereits tat, und sie würde ihre Sache schlechter machen, wenn sie Angst hatte.
»Wenn du es schaffst, mich aus diesem Zimmer zu befreien«, sagte er, »werde ich alles in meiner Macht Stehende tun und mich um Fürst Mycene und seine Männer kümmern. Sie werden für niemanden eine Gefahr sein, außer für die Schattengeborenen, wenn sie durch die Scharfschützenlöcher in den oberen Stockwerken schießen.« Er machte eine Handbewegung. »Vielleicht werden sie sogar in Zukunft immer gegen die Schattengeborenen kämpfen.«
»Und wofür soll das gut sein ?«, murrte Lavender.
Trotz der Last seiner Sorgen und des Rufs, der an ihm zerrte, grinste Ishmael. »Der Feind deines Feindes, Mädchen. Es ist nur von Vorteil, wenn sie wissen, womit wir es in all den Jahren zu tun hatten. Dann überlegen sie es sich vielleicht zweimal, euren Leuten auf den Inseln Scherereien zu machen.«
»Wer führt den Trupp nach Süden an?«, erkundigte sich Stranhorne sachlich.
Sie presste ihre Lippen aufeinander, was allein schon eine Antwort war, und dann platzte sie mehr oder weniger heraus: »Laurel und Boris werden hierbleiben, und einer von uns wird wohl … «
»Nicht unbedingt«, unterbrach Stranhorne sie. Stille trat ein. »Sei vorsichtig!«
»So vorsichtig wie eine Dame aus der Stadt, die ihr Ansehen hütet.« Sie küsste ihren Vater auf die Wange, drückte Ishmaels behandschuhte Hand und trat einen strategischen Rückzug an, bevor Stranhorne oder Ishmael weitere Einwände erheben konnten.
»Stranhorne«, hob Ishmael an, »ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich hatte Ihnen versprochen, Ihre Töchter aus Gefahren herauszuhalten.« Wäre er als Magier des sechsten Ranges geboren worden, wäre er imstande gewesen, Laurel binnen eines Augenblicks von hier aus in Sicherheit zu heben – und er hätte es getan, selbst wenn ihr Vater ihn dafür aus seinem Herrenhaus verbannt und sie ihm eine Ohrfeige gegeben hätte. Aber wie die Dinge lagen, konnte er nicht einmal dafür plädieren, sie zu Verwandten in die inneren Grenzlande zu schicken, wenn keine Züge mehr fuhren. Und er konnte nicht so tun, als seien die Straßen sicher.
»Ach ja?«, gab der Baron spitz zurück. »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie für die Schattengeborenen verantwortlich sind.«
»Holen Sie mich bitte aus diesem Raum, bevor ich anfange, durch die Wände zu gehen. Und Hearne gleich mit. Ist Linneas hier?«
»Ja«, bestätigte Stranhorne, und der Anflug erschöpfter Erheiterung seiner Stimme erzählte Ishmael eine vertraute Geschichte. Linneas Straus war der Arzt und Chirurg der Truppe Stranhornes. So regelmäßig wie der Wechsel der Jahreszeiten wurde der Ehemann seiner Tochter in seiner jeweils aktuellen Stellung gekündigt, die wachsende Familie fiel auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf in Linneas Haus ein, und Linneas suchte Zuflucht im Herrenhaus.
Balthasar würde zweifellos all das und noch mehr erfahren, sobald er den Arzt kennenlernte. »Linneas Straus ist der Arzt, der sich um die Bewohner des Herrenhauses und die Truppen kümmert«, erklärte Ishmael Balthasar. An Stranhorne gewandt fügte er hinzu: »Hearne hat eine städtische Hospitalausbildung, die uns von Nutzen sein könnte, sollte es viel zu tun geben. Er wird uns vielleicht dabei helfen können, uns auf eine große
Weitere Kostenlose Bücher