Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
Vom Netzwerk:
seinem verschwitztem Nacken. Ihm war vollends bewusst, welche Wahl er traf. Er umfasste den Revolver mit beiden Händen und platzierte seine Kugel unter dem vorspringenden Brustbein seines Ziels. Während des Schusses spürte Ishmael einen metallischen Luftzug auf seiner Wange und einen Schwall heiße Flüssigkeit an seinem Hals. Er roch den beißenden und vollen Geruch des Bluts und grinste seinen Retter in halbwahnsinniger Dankbarkeit an.
    Dann taumelte der Schattengeborene gegen ihn, die Haut seiner Stirn streifte Ishmael am Hals, und die Gedanken der Kreatur drangen in ihn ein, während ihn der Gestank ihrer Magie einhüllte. Unter dem köperlichen und geistigen Gewicht des Schattengeborenen stürzte er vornüber auf seine Hände und Knie. Ihm war bewusst, dass sein Körper, sein Geist oder beide ein Gewirr von Eindrücken von sich weisen musste, sodass er sich entweder gründlich übergeben oder einfach ohnmächtig werden würde. Hände packten seine Jacke und zogen ihn am Kragen und den Achselhöhlen unter das Dach. Die drängenden und leichten Berührungen seines eigenen Volks bildeten ein gesegnetes Gegenmittel gegen das intime Gefühl der Schattengeborenen. Jemand drückte ihm seinen Revolver zurück in die Hand. »Danke!«, krächzte er. »Wir müssen auf das Dach über unseren Köpfen achten. Und ich muss durchkommen.«
    Ishmael nahm den Revolver in seine unverletzte Hand, ging in die Hocke und huschte zu Lavender hinüber. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie, als er sich neben ihr aufrichtete.
    »Hab schon Schlimmeres erlebt.« Er griff nach ihrem Ärmel und zog sie zu sich heran. Was er zu sagen hatte, war wichtiger, als dass sie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit dem Schlachtfeld widmete. »Ich habe durch die Berührung die Gedanken des Schattengeborenen gelesen. Sein Geist ist mehr Mensch als Tier. Es war kein Zufall, dass der andere auf dich heruntergestürzt ist.«
    Sie fluchte nicht gerade damenhaft. Er bezweifelte, dass sie die ganze Tragweite dieser Information erfasste, wusste aber, dass sie sofort das Notwendigste verstehen würde. Sie hatten es mit schlauen, verstandbegabten Feinden zu tun. »Du hast die Sache hier im Griff«, fügte er hinzu und betete still zu allen realen und ausgedachten Göttern, dass dies so bleiben möge. »Ich muss nach unten zum Nordtor.«
    »Ja«, antwortete sie. »Geh!«
    Ishmael ging und schaffte es hinter eine Biegung der Treppe, sodass sie ihn nicht hören konnten, als ihn die Aura des Schattengeborenen, die Erschöpfung und seine Verletzungen überwältigten. Er hielt den Strom des Erbrechens so kurz, wie es sein Wille und seine Selbstbeherrschung vermochten; zum Glück für die ihn umrankenden Legenden blieb er dabei unbeobachtet. Er schuldete dem Hauspersonal ein Trinkgeld für das Saubermachen. Schließlich wischte er sich mit dem Ärmel den Mund ab und taumelte in einem glaubwürdigen Laufschritt die Treppe hinunter, wo er bereits Rufe und Schüsse aus Richtung Ballsaal vernahm. Grundgütige Imogene, wenn sie sich dort gewaltsam Zutritt verschafft hatten, wo der Ballsaal mit den schwächsten Flüchtlingen und Verletzten gefüllt war …
    Er bewegte sich Richtung dritter Stock und lief auf die Tür zum Dach über dem Ballsaal zu, auf dem sich in ruhmreichen Tagen eine Tanzfläche befunden hatte. Jetzt gab es dort zwar Wachposten, allerdings nur schwach bemannt. Falls niemand die Wache verstärkt und sie der Feind überrascht hatte.
    Auf dem Dach befand sich neben einer nach oben führenden Tür, breit genug für drei Menschen, noch ein Nebeneingang für die Dienstboten. Er bog um die letzte Ecke und versicherte sich mit einem Peilruf, dass die Tür noch geschlossen und auf wunderbare Weise sogar unversehrt und verriegelt war. Sein Sonar fing die Gestalt eines schmächtigen Mannes auf, dessen Hände auf dem Riegel lagen, und für einen Herzschlag dachte er, sie sähe aus wie Balthasar Hearne.
    »He!«, brüllte Ishmael. »Keine Bewegung!«
    Die Gestalt wirbelte herum und rannte die Haupttreppe hinunter, wobei sie sich viel flinker bewegte, als er es bei dem von der Reise erschöpften Arzt erwartet hätte. Er wollte ihr folgen, doch die Dienstbotentür öffnete sich, und was über die Schwelle trat, war kein Nachtgeborener.
    Ishmael krachte gegen die Wand und feuerte mit beiden Händen in den Türeingang. Verflucht – er hatte weder die Zeit noch die Geschicklichkeit nachzuladen, ihm blieben also nur noch fünf Kugeln und ein Messer. »Stranhornes!«,

Weitere Kostenlose Bücher