Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
stieß sie hervor.
»Ja«, antwortete er, »ich bin der, dem du erzählt hast, dass du Jeremiah Coulter liebst.« Eine kurze, intensive und glücklicherweise einseitige Vernarrtheit, als sie achtzehn gewesen war. Ishmael hatte niemals weitererzählt, was sie ihm anvertraut hatte.
Sie drückte ihren nassen Kopf an seine Brust und lehnte sich an ihn. »Irgendetwas hat gerade die Mauer in Mutters Garten zerstört«, keuchte sie. »Es ergibt keinen Sinn. Warum sollte er das Tor öffnen, wenn sie es doch so leicht zerstören konnten?«
Laurels Gedanke waren wie die ihres Vaters stets in Bewegung. »Warum sollte wer das Tor öffnen?«
Sie hob den Kopf und stand wieder auf ihren eigenen Füßen. »Dr. Hearne – oder jemand in seiner Gestalt. Der Flur war unbewacht.« Die Wachen sind wegen des Feuers abgezogen worden, überlegte Ishmael, der nun das Ablenkungsmanöver verstand. »Ich bin zu spät gekommen, um ihn aufzuhalten. Die Dinger kamen durch. Ich wollte eine Lücke frei schießen, um das Tor zu schließen. Zwei von den Fliegern haben mich angegriffen. Einen habe ich getötet, den anderen hat Hearne mit einem Stein erledigt, aber dann ging er auf mich los. Ich schoss auf ihn – reiner Reflex, und es ist nur eine Blessur, denke ich – , dann stürzte die Mauer ein, und ich bin weggerannt. Ich habe ihn einfach zurückgelassen. Keine Ahnung, was er war, aber ich … warum sollte er das Tor öffnen, wenn sie es doch so leicht zerstören konnten?«
Sofern es wirklich Balthasar war, dann musste er verhext oder auf andere Weise zu seinem Tun gezwungen worden sein. Vermutlich war er bereits tot. Selbst wenn nicht, würde es den Tod bedeuten, diese Außentür zu öffnen. »Wir werden ihn holen, wenn wir können«, sagte er, »aber du hast richtig gehandelt. Sie könnten jeden Moment durch die äußere Mauer kommen, aber wenigstens haben sie sich Zutritt durch jenen Eingang verschafft, der für uns am besten ist. Sag deinem Vater Bescheid. Er wird die Glocke läuten wollen, damit sich alle sammeln. Du musst dafür sorgen, dass der Hauptweg frei ist.« Er schob sie von sich und nahm ihr den Revolver aus der Hand. »Ich werde dir so viel Zeit verschaffen, wie ich kann.«
Sie verkniff sich ein Flehen und drückte ihm ihren Munitionsbeutel in die Hand. In ihrem Gesicht standen all die Worte geschrieben, die sie nicht aussprach, weil es ihr die Vernunft verbot.
»Wenn sie den Verstand von Menschen haben, sind sie vielleicht genauso neugierig. Das versuche ich auszunutzen. Und wenn nicht … « Er beendete das Nachladen und schloss das Patronenlager der Pistole. »… werde ich bis dahin wissen, auf wen ich als Erstes schießen muss.« Er machte sich nichts vor und rief sich ins Gedächtnis, dass er wahrscheinlich nur einen einzigen Schuss hatte. Er spürte, wie sich auf der anderen Seite der Tür Magie aufbaute. »Geh!«, befahl er.
Ein einziger Schuss, ging es ihm durch den Kopf. Die Frage war, ob er tatsächlich schießen sollte – und somit wahrscheinlich magische Vergeltung auf sich selbst und jeden in Reichweite herabbeschwören würde – oder ob riskieren, möglicherweise überhaupt nicht mehr zum Schuss zu kommen. Er legte seine Hand auf die Tür und spürte das Beben des Angriffs auf die Außenmauer. Von draußen hörte er, wie Steine gegeneinanderknirschten. Grundgütige Imogene, wie viel von der Mauer rissen sie denn ein?
Er öffnete die Tür und lehnte sich gegen den Sturz. So war er zwar ungeschützt, aber er konnte sowohl den Innen- wie auch den Außenbereich abdecken. Sein Sonar skizzierte die klaffende Lücke in der Mauer und den Schutt, der von der gleichen Magie, die den Durchbruch verursacht hatte, ordentlich zu beiden Seiten aufgehäuft aus der Lücke geschoben worden war. Selbst der Staub schien sich zu teilen. Zwei Gestalten – die größere leicht gebückt – traten durch die Mauer in das Arbeitszimmer und gingen dabei so nah, wie es die Lücke erlaubte, nebeneinander her. Mit bewusst tiefer und nachdrücklicher Stimme sagte Ishmael: »Seien Sie so gut und bleiben Sie stehen, wo Sie sind. Ich möchte einige Worte mit Ihnen wechseln.«
»Und wer sind Sie?« Die Stimme war ein heller Tenor, die Stimme eines Sängers, und so unbekümmert, dass sie auf eine mühelos beherrschte Macht oder einstudiertes Auftreten schließen ließ.
Dies, dachte Ishmael, ist der Punkt, an dem ich mir entweder ein Gespräch oder einen sehr schnellen Tod sichere. »Mein Name ist Strumheller.«
»Strumheller? Baron
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