Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
Vorgeschichte des Jungen nicht; er mochte Epileptiker sein, aber da sich der Anfall mit diesen Ereignissen überschnitt, vermutete Balthasar, dass dieser magischer Natur war. Und wenn Sebastien in das verwickelt war, was auch immer hier vor sich ging – wie sein Triumph anzudeuten schien – , dann wurde er vielleicht von den Lichtgeborenen angegriffen. Olivede, Balthasars wichtigste Informantin in allen magischen Belangen, war lediglich eine Magierin dritten Ranges und dazu noch eine entschieden friedfertige. Er hatte keine Ahnung, was geschehen würde, sollten Magier ihre Magie gegeneinander einsetzen.
Er wusste nur, es bedeutete für alle in der näheren Umgebung Gefahr.
Selbst wenn er weglief, konnte er in der lichtverseuchten Nacht nirgendwo hingehen.
Sebastien erschlaffte, und sein Kopf lag schwer auf Balthasars schützender Hand.
»Sie können nicht … können nicht … «, flüsterte er, holte keuchend Luft und begann, von Neuem zu krampfen. Balthasar stützte ihn und zählte die Sekunden. Als der Anfall verebbte und nicht sofort wieder neu einsetzte, zog er sich die Dienstbotenweste aus und schob sie hinter Sebastiens Schultern, dann knüllte er sein nasses Hemd zu einem Kissen zusammen. Anschließend machte er sich auf die Suche nach dem Medizinschrank des Hauses.
Zu seiner Überraschung fand er eine komplette Ausrüstung zur Geburtshilfe vor, mit Geburtszange, Narkosemitteln, Flaschen mit Chloroform und Antiseptika. Er war zuerst überrascht, aber dann leuchtete sein Fund ihm ein: Tercelle Amberley hatte für ihre Niederkunft alternative Vorkehrungen getroffen, falls Balthasar sie abgewiesen hätte. Seine Hände zitterten vor Kälte und von der Intensität seines Wunsches, genau dies getan zu haben, während er die Flaschen in einem kleinen Beutel sammelte. Sollten die Krämpfe andauern, würde er den Jungen betäuben.
Als er wieder in den Flur kam, lag Sebastien zusammengerollt auf der Seite, und für einen Moment grausam widersprüchlicher Erleichterung dachte Balthasar, er sei gestorben. Dann hustete der Junge, und die Verhexung zurrte sich wie Stacheldraht um Balthasars Geist fest. Balthasar kniete sich neben ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter und peilte sein Gesicht. »Sebastien?«
»Sie konnten nicht … «, flüsterte er, »konnten nicht in der Lage gewesen sein … «
Balthasar tastete Sebastiens Kopf ab, aber der Junge zuckte nicht zusammen; er untersuchte Brust und Bauch, fand jedoch keine druckempfindliche Stelle; er fühlte ihm den Puls und stellte fest, dass er zwar schnell, aber kräftig war. »Wer konnte nicht in der Lage gewesen sein, was zu tun?«, fragte er.
»Sie sollten nicht in der Lage gewesen sein, die Magie zu annullieren … «
Annullieren … Etwa die Magie, in die der Junge seine Lebenskraft investiert hatte? Das erklärte vielleicht die Krämpfe.
»Bist du in Sicherheit?«, fragte Balthasar. Er stolperte über die Worte und über den Konflikt zwischen Verhexung, Mitgefühl, Grauen und schwelender Wut, die ihm diese Frage zu einer zutiefst verabscheuten Verpflichtung machten.
»Sie hätten nicht in der Lage sein sollen … « Es gelang dem Jungen, den Kopf zu heben und sich mit Balthasars Hilfe aufzusetzen. »Sie hätten nicht in der Lage sein sollen, das zu tun « , jammerte er.
»Was zu tun? Was waren das für Explosionen?«, hakte Balthasar nach, wenig erpicht darauf, die Antwort auf eine Frage zu erfahren.
»Der Magierturm. Wir haben ihn gesprengt.«
Es war eine einfache Aussage, ohne Prahlerei. Der Magierturm beherrschte Florias Beschreibung zufolge die Silhouette am Horizont. Hochrangige lichtgeborene Magier und Menschen bewohnten ihn. Deren heilende Kräfte schenkten den Magiern eine Lebensspanne, vier- oder fünfmal so lang wie die gewöhnlicher Menschen. Diese Magier konnten nach Belieben Stürme beschwören und sich selbst und andere von einem Ort zum anderen transportieren. Wie der Junge es gerade getan hatte. Das dafür benötigte Dynamit …
Sebastien beantwortete seine Skepsis mit einem Stirnrunzeln. »Wir haben es getan. «
»Ihr wäret niemals in der Lage gewesen, genug Dynamit zu platzieren.« Nicht solange es die Leibgarde , wollte er sagen, und die Stadtwache gibt. Aber wer konnte schon sagen, wie viele in der Stadt die Schattengeborenen bereits unter ihren Bann gebracht hatten, damit sie für sie arbeiteten oder einfach wegsahen? Wie viele befanden sich in der gleichen Lage wie er?
»Nicht mit Dynamit. Kanonen, riesengroße
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