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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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bereit war, die Antwort zu erfahren. »Aber du bist der Herr über deinen eigenen Willen?«, fragte er.
    Der Junge schwieg und sagte schließlich: »Mein Kopf tut wirklich weh.«
    »Du hattest einen Krampfanfall«, erklärte Balthasar. »Hattest du früher schon einmal solche Anfälle?«
    Der Junge antwortete nicht, sondern schob nur mürrisch die Unterlippe vor.
    »Lass uns nach oben gehen«, schlug Balthasar vor. »Du wirst dich besser fühlen, wenn dir warm ist und du dich hinlegen kannst.« Er half Sebastien auf die Füße und führte ihn die Treppe hinauf. Im Hauptschlafzimmer im ersten Stock half er dem Jungen aus seinen durchnässten Kleidern – wie er feststellte, war die Hose ebenso von Regenwasser wie von Urin durchtränkt. Er trocknete ihn ab, dann steckte er ihn in ein sauberes Nachthemd und überredete ihn, eine Dosis Schlafmittel zu nehmen. Der Krampfanfall oder die Ungewissheit bezüglich seiner Magie machten den Jungen benommen. Balthasar deckte ihn zu, registrierte den duftenden Moder alter Kräutersäckchen und wollte sich entfernen.
    Die Decken raschelten. »Geh nicht.« Es war die Stimme und das Flehen eines Kindes.
    »Ich muss aus den nassen Kleidern raus, sonst werde ich krank.« Offensichtlich zählte die Heilkunst nicht zu den Begabungen des Jungen.
    »Komm schnell wieder zurück.«
    Balthasar gehorchte und stöberte im Kleiderschrank des Gästezimmers einen schweren, nach Rauch riechenden Pullover und grobe Hosen auf, zu groß für ihn, aber warm. Die Kleidung gehörte einem von Tercelles männlichen Bekannten, vermutete er. Es konnten weder Lysanders noch Mycenes sein, da beide schlank waren. Er zog sich aus, wusch sich das Blut von der Seite, zuckte wegen der frisch geschlossenen Wunde empfindlich zusammen, trocknete sich ab und spülte und wrang seine Kleidung so gut er konnte aus. Dann kleidete er sich an und zog den Taillenbund fest zusammen, damit die Hose nicht rutschte.
    Als er zurückkehrte, war Sebastien noch wach. Er kämpfte wie ein Kind gegen gegen den Schlaf an. Balthasar ertappte sich dabei, dass er die Decken zurechtzupfte, wie er es für eine seiner Töchter getan hätte. Sebastiens Blick wanderte hin und her – beobachtete er ihn?
    »Es ist seltsam«, murmelte er, »dass du hier bist. Es ist so, als sei er hier.«
    »Mein Bruder?« Das war klüger, als »dein Vater« zu sagen.
    »Er war … er hat sich um mich gekümmert. Aber dann … « Ein langes Schweigen folgte. »Er wollte sie wegbringen. Er sagte, er müsse sie wegbringen. Und wenn ich nicht mitkäme, dann würde er mich zurücklassen. Er sagte, wenn er sich zwischen ihr oder mir entscheiden müsse, würde er sie nehmen.«
    Die Worte waren kindisch und entsprangen dem Kummer eines verlassenen Kleinkindes, aber Balthasar konnte sich gut vorstellen, wie Lysander so etwas zu einem Kind sagte. Allerdings wusste er nicht, was Lysander unter den Schattengeborenen erlebt hatte. »War sie denn in so großer Gefahr?«
    »Ja. Nein!« Er machte eine lange Pause. »Emeya hätte sie getötet.«
    »Aber das wusstest du damals nicht«, sagte Balthasar. Weil einem so etwas selten klar ist, selbst wenn es direkt vor der eigenen Nase geschieht.
    »Nein«, antwortete er. Er drehte sich auf die Seite von Balthasar weg. »Ich will nicht mehr reden. Sei still. Bleib hier.«
    Balthasar saß da und lauschte auf das Läuten der Warnglocke. Dieses Geräusch hatte er nur ein einziges Mal während seiner Zeit in der Stadt gehört, als der Einsturz eines schlecht gebauten Wohnhauses Licht in die Nacht freigegesetzt hatte. Aber es waren nur arme Kunsthandwerker gewesen, die gerade genug Licht für die Dauer einer Nacht gehabt hatten, und obwohl Dutzende von Nachtgeborenen sich Brandwunden zugezogen hatten, starben nur wenige daran. Die gesprengten Mauern des Magierturms wären wie ein Leuchtfeuer gewesen, und die Lichtgeborenen hätten gewiss Anspruch auf die letzten Stunden der Nacht erhoben, um Überlebende zu retten. Er konnte eine Flucht nicht überleben, selbst wenn er nicht durch die Verhexung gebunden gewesen wäre.
    Er hörte ein verschnupftes Schnarchen. Der Junge hatte sich umgedreht und lag jetzt mit ausgestreckten Gliedern auf dem Rücken. Im Schlaf hätte er eins der Straßenkinder sein können, die Balthasar in Olivedes Flussmarkklinik behandelt hatte: halb verhungert, halb verwildert, auf der Straße geboren und aufgewachsen, vernachlässigt und geschunden. Er konnte ihn nicht hassen – wegen der Verhexung oder aus Mitleid?

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