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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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unterstützt.«
    »Ist das alles?«, fragte der Erzherzog sehr leise.
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Balthasar, »aber ich weiß, dass er direkt nach der Zerstörung der Geschützstellungen einen Krampfanfall erlitten hat.«
    »Sejanus.« Claudius Rohan, der engste Ratgeber und Freund des Erzherzogs, bahnte sich einen Weg durch die Gruppe von Wachen. »Sejanus, die Lichtgeborenen sind eingetroffen.«
    Der Erzherzog wandte sich ab und hielt inne. »Ich werde das Leben des Jungen vorläufig verschonen«, sagte er, den Rücken Balthasar zugewandt, »mehr verspreche ich aber nicht.«
    Telmaine
    So ist also das Leben, wenn der schlimmste Fall eingetreten ist, dachte Telmaine Hearne, während sich der Zug ratternd gen Süden bewegte, in die Grenzlande, durch eine unsichere Landschaft einem unsicheren Ziel entgegen. Im Zugabteil saß ihr ein alter Mann gegenüber, der mit einer Berührung seiner Finger einen aus Zeitungspapier gedrehten Kegel entzündete, und auf seinem Koboldsgesicht erschien ein entzücktes Lächeln. Trotz ihrer Unerfahrenheit konnte sie spüren, wie seine Magie, zart wie eine Feder, die über Sand strich, am Rand des Papiers ein feines Rinnsal aus Flammen heraufbeschwor.
    Eine Feder, die einem toten Vogel ausgerupft worden war, räumte sie ein. Farquhar Broome war nachtgeboren, aber die Magie, mit der er spielte, entstammte den Schattengeborenen. Und obwohl schattengeborene Magie nicht wirklich nach etwas roch, hinterließ sie bei ihr die beunruhigende Überzeugung, etwas durch und durch Widerliches gerochen zu haben .
    »Vater«, protestierte Phoebe Broome, aber sie wirkte resigniert.
    Ihr Vater löschte die Flamme mit einem Ausstoß dieser ekelerregenden Magie und hielt Phoebe den Kegel hin. »Versuch du es mal, mein liebes Mädchen«, ermunterte er sie. »Mach es mir einfach nach.«
    Pflichtschuldigst nahm Phoebe den Kegel entgegen. Sie war eine hochgewachsene, gertenschlanke Frau und mehrere Jahre älter als Telmaine. Ihr reizloses Kleid wirkte maskulin, und sie hatte etwas Unbeholfenes und Verlegenes an sich. Auch ihr Vater war hochgewachsen, von einem unbestimmbaren Alter und mit einem Gesicht wie ein verhutzelter Apfel, das sich beim geringsten Anlass in Runzeln der Erheiterung legte. Sein Anzug und Mantel mussten seit mindestens vier Jahrzehnten aus der Mode sein. Wäre Telmaine den beiden unter anderen Umständen begegnet, hätte sie sie mühelos etikettiert: schwieriger Vater mit geduldig leidender Tochter. Er charmant in seiner Missachtung gesellschaftlicher Konventionen, und sie trug die doppelte Last daran. Aber wäre jemand so taktlos gewesen, gegenüber Prinzessin Telmaine, der Tochter des Herzogs, den Namen Broome auch nur zu erwähnen, hätte sie den Sprecher fortan wie Luft behandelt. Magier, selbst die Anführer der größten und bestorganisierten Magiergemeinschaft Minhornes, wurden in zivilisierter Gesellschaft nicht erörtert.
    Und doch teilte sie sich nun ein Zugabteil mit Farquhar Broome – dem angeblich stärksten lebenden Magier der Nachtgeborenen – und seiner Tochter. Hier saß sie, eine verurteilte Hexerin, auch wenn sie durch geheimen, in letzter Minute erteilten Befehl des Erzherzogs, den Vladimer mit einfallsreicher Skrupellosigkeit ausgeführt hatte, von der Hinrichtung verschont geblieben war. Ahnte irgendjemand, gar der Erzherzog selbst, dass das Häufchen Asche im Hinrichtungsraum nicht ihres war, obwohl ihre Eheringe und Balthasars silberner Liebesknoten darauf gebettet lagen?
    Sie stellte sich einen Lakaien oder Höfling vor, wie er den Schmuck in Balthasars Hand legte. Sie stellte sich das Gesicht ihres Mannes vor – was sie spüren würde, wenn sie ihn berührte – und biss sich auf ihren im Handschuh steckenden Zeigefinger, bis es wehtat. Sie hatte es nicht einmal gewagt, Balthasar eine Nachricht zu hinterlassen, bis auf eine undurchschaubare Botschaft, die sie ausgerechnet Floria Weiße Hand mitgegeben hatte, die sich sicher auf der anderen Seite des Sonnenaufgangs befand und darin geübt war, Geheimnisse zu wahren. Aber aus Furcht, Floria könnte die List auffliegen lassen, hatte sie die Nachricht verschlüsselt. Aber wann würde Floria in der Lage sein, die Nachricht weiterzugeben, falls sie es überhaupt tun würde? Wie lange würde Balthasar sie für tot halten, und was würde er in der Zwischenzeit tun?
    Phoebe Broome zog ihre Handschuhe von ihren langen Fingern und legte sie beiseite, dann ließ sie ein dünnes, kontrolliertes Band der Magie

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