Schattengefährte
verhindern konnte, erstand Fandurs Bild vor ihren Augen. Seine samtigen Augen, der blauschwarze Haarschopf, der sich so widerspenstig sträubte, seine schön geschwungenen Lippen … Wie geschmeidig sein bronzefarbiger Körper war. Wie weich seine Rabenstimme klingen konnte …
Und wenn er sie doch liebte? Hatte er nicht Büsche und Gräser für sie in Töpfe gepflanzt? Plante er nicht, einen unterirdischen Garten für sie anzulegen? Hatte er sie nicht sogar vor der Morrigan geschützt? Ach – weshalb quälte sie sich nur immer wieder mit den gleichen Zweifeln herum? Hoffnung tat weh.
»Er liebt mich nicht, sonst hätte er es mir doch gesagt«, murmelte sie beschwörend vor sich hin. »Er wollte nur mein rotgoldenes Haar und meine silberne Haut, denn wie die Zwerge so sind auch die Raben gierig nach glänzenden Gegenständen.«
Weshalb aber wollte er ihre Augen küssen? Um die Fee damit ganz und gar in seinen Besitz zu nehmen? Lag es vielleicht sogar daran, dass die Sehnsucht nach dem ungetreuen Rabenkrieger sie nicht mehr verließ?
Und was war mit ihm? Würde Fandur sie vergessen?
Sie stöhnte auf und warf das lange Haar zurück. Schluss mit diesen trüben Gedanken. Es gab hier in der Burg Menschen, die auf sie hofften und an sie glaubten. Sie würde das Nächstliegende tun und zu ihrem Vater gehen. Was auch immer damals geschehen war, sie liebte ihn.
Kapitel 25
Sie hatte energischen Widerstand erwartet und war entschlossen gewesen, im Notfall sogar mit Gewalt zum König vorzudringen, doch zu ihrem Erstaunen empfing man sie vor den königlichen Gemächern mit großer Zuvorkommenheit. Die Pagen der Königin verbeugten sich tief und öffneten die Pforte, die zum Raum ihres Vaters führte. An ihren Gesichtern konnte sie ablesen, dass man auf sie gewartet hatte.
Misstrauen stieg in ihr auf, denn sie hatte Machas Warnung nicht vergessen. Die Fensternischen im königlichen Gemach waren nicht verhängt, wie ihr Vater es zu tun pflegte, wenn er sich zurückzog, stattdessen drang das Tageslicht durch die kleinen bleiverglasten Scheiben in den Raum, doch es war matt, denn am Himmel waren Wolken aufgezogen. Ihr Vater saß im hinteren Teil des Raumes in einem Lehnstuhl, sein Körper erschien ihr zusammengesunken unter der Last des dunkelroten Mantels mit dem breiten Pelzkragen. Seine Arme ruhten auf den Lehnen, seltsam steif, so als gehörten sie gar nicht zu ihm.
Alina hatte plötzlich das Empfinden, auf den Fäden eines Spinnennetzes zu stehen, das unsichtbar im Gemach des Königs ausgebreitet lag und nur darauf wartete, jeden Eindringling mit klebrigen Stricken zu umwinden. Langsam trat sie über die Schwelle und sah sich misstrauisch nach beiden Seiten um, doch außer ihr und dem König schien niemand im Raum zu sein.
»Vater?«
Er drehte nur leicht den Kopf in die Richtung, aus der er ihre Stimme vernahm, sein Körper blieb unbeweglich, als habe man ihm die Arme auf den Stuhllehnen festgebunden. Voller Sorge ging sie näher zu ihm hin – wie hohl seine Wangen waren, wie dunkel die Schatten unter seinen Augen!
»Vater, ich bin es – Alina. Ich bin wieder zurückgekommen. Es wird alles wieder so sein, wie es früher war.«
»Alina!«
Seine Stimme klang fremd, so heiser und tief. Noch schlimmer aber war, dass er keinerlei Gefühl bei der Nennung ihres Namens zeigte, weder Freude noch Ärger. Es schien eher so, als müsse er sich mühsam daran erinnern, wer die junge Frau mit dem leuchtenden Haar war, die da vor ihm stand und ihn anredete.
»Alina, deine Tochter«, flüsterte sie und berührte seine rechte Hand. »Bist du denn so krank, dass du mich nicht mehr erkennst?«
Seine Hand war kalt, als sei kein Leben mehr in ihr, doch immerhin hob er jetzt den Kopf und blickte sie an.
»Meine Tochter«, murmelte er. »Mein Kind. Mein rotgoldenes Feenkind.«
Sein Blick war der eines Greises, verwundert, verträumt und mehr der Vergangenheit zugewandt. Was für ein giftiges Gebräu mochte Nessa ihm eingeflößt haben, das aus dem vierschrötigen, kräftigen Mann in nur wenigen Tagen eine solche Elendsgestalt hatte werden lassen! Alina dachte daran, dass ihr Vater Befehl gegeben hatte, die Ebereschen fällen zu lassen. Kurz nach ihrer Abreise hatte er fortreiten wollen. Wohin? Hatte er in seiner Verzweiflung vielleicht gar Etain aufsuchen wollen, um sich mit ihr zu versöhnen? Dann hatte Nessa allen Grund gehabt, Angus in der Burg festzuhalten und seinen Verstand zu verwirren.
»Du wirst wieder gesund werden,
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