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Schattengeschichten

Schattengeschichten

Titel: Schattengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Rouven
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unerträglichen Kopfschmerzen, und dass er auf dem Flurboden seines Hauses erwachte. Er steckte noch in jenen Kleidungsstücken, die er gestern Abend getragen hatte.
    Unter Protest öffnete er seine Augen und starrte an die hohe Decke. Der Leuchter brannte noch. Was, zum Teufel, war geschehen? Mit ihm, gestern Abend? Die Erinnerungen waren aus seinem Kopf radiert.
    Schwerfällig stützte Dennis sich vom Boden ab. Sein ganzer Körper schmerzte, als er sich hoch stemmte. Wehleidige Worte glitten ihm über die Lippen. Als er stand, putzte er sich den Schlaf von seinem Hemd und der Jeans. Selbst die Schuhe hatte er anbehalten. Hatte er heute morgen einen Termin? Wollte er gleich, nachdem er aufgewacht war, hinaus auf die Straße, um einen Ort aufzusuchen, von dem er jetzt nicht mehr wusste, wo er sich befand? Oder hatte er zu viel gesoffen?
    Einer inneren Stimme folgend ging er über die Schwelle seiner Haustür, hinaus in den Tag. Dennis steckte seine Hände in die Hosentaschen und fand eine Packung Zigaretten.
    Der Pfad in seinem Vorgarten führte zu einer Gittertür, die ebenfalls offen stand. Sollte er hinaus auf die Straße? Wollte er das? Im Vorbeigehen atmete er den Duft seiner Blumen ein, die am Pfadrand standen. Männertreu und Geranien, Rosen und Petunien strahlten wild durcheinander in Rottönen, in weiß, gelb und blau. Der Geruch der Rosen war so intensiv, dass Dennis zwei Mal nieste, ehe er auf die Straße hinaus trat und im Gewimmel der Hauptstraße nach links abbog.
    Das laute Gedröhn der Autos stärkte seine Kopfschmerzen und als er sich irrsinniger Weise eine Zigarette aus der Packung nahm, schien sein Schädel zu platzen. Dennis aber dachte, dass der Rauch seinen Nebel im Kopf vertreiben konnte, also suchte er in den hinteren Hosentaschen nach einem Feuerzeug. Er verfluchte seine verlorenen Erinnerungen, als er keines fand, erblickte dann aber einen rauchenden Mann vor der amerikanischen Botschaft.
    Dennis blieb neben ihm stehen. Der Typ, Sonnenbrille und teurer Anzug, schenkte ihm keine Aufmerksamkeit.
    „Entschuldigen sie“, sagte Dennis, „haben sie vielleicht Feuer.“
    Der Anzugträger warf den Zigarettenstummel auf den Boden, regierte aber nicht, als er angesprochen wurde. Dennis bat erneut. Kein Reaktion. Wenn der Typ wenigstens mit den Achseln zucken würde. Dennis stellte seine Frage auf Englisch. Noch immer keine Antwort, keine noch so kleine Reaktion. Nun wirkte der Mann wie einer der englischen Garden, wenn sie vor dem königlichen Palast Wache schoben. Vielleicht war das ihr neuer Ehrenkodex, dachte Dennis, seit diesen Anschlägen im September hatte sich ja einiges geändert.
    Dennis gab auf, aber schon von Weitem näherten sich zwei Frauen, schick gekleidet, in Röcke, die bis zu ihren Knien ragten. Sie lachten und schwatzten und führten einen Hund neben sich. Dennis beschleunigte seinen Schritt. Das Verlangen nach einer Zigarette und die Suche nach Feuer vertrieben langsam, aber stetig das Dröhnen im Kopf.
    „Entschuldigen sie“, rief er schon, als sie noch gut zwei Meter von ihm entfernt waren. Die Frauen ignorierten ihn.
    „Entschuldigen sie“, wiederholte er, „haben sie vielleicht Feuer für mich?“ Doch sie gingen an ihm vorbei, als wäre er Luft. Der Hund hatte weiterhin an irgendwelchen bepissten Stellen geschnüffelt. Dennis Bitte hatte das Gespräch nicht gestört.
    „Vielen Dank auch“, rief er ihnen hinterher. Keine der beiden drehte sich um. „Ja ja, schon klar. Ich bin unsichtbar für die Damen der Haute Couture. Leckt mich doch“, schrie er nun, „Leckt mich.“
    Er nahm seinen Weg wieder auf, wohin auch immer. Dennis fragte sich, ob er wirklich so hässlich war, dass niemand ihn beachten wollte. Zugegeben, sein Bauch hielt ihn mittlerweile davon ab, sein Geschlecht zu sehen und seine Hakennase thronte in einem kargen Gesicht, das von abstehenden, grauen Haaren umrandet wurde. Aber war das der Grund?
    Zuerst wollte er über die Straße, um an der Alster möglichst vielen Leuten zu begegnen. Irgendjemand würde sich schon erbarmen ihm Feuer zu geben. Dann aber überlegte er es sich anders. Mittlerweile war er so weit gegangen, dass er vor dem Café des Literaturhauses stand. Hier kannten ihn die Bedienungen und einige Stammgäste auch. Hier würde er ohne Zweifel beachtet werden. Dennis schritt die Treppe hinauf in den ersten Stock, denn zur Zeit befand sich das Erdgeschoss im Umbau.
    Die meisten Tische der Räumlichkeit waren besetzt, aber er fand eine

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