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Schattengeschichten

Schattengeschichten

Titel: Schattengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Rouven
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mich an der Spitze des Flugzeugs und ich würde es fliegen. Eigentlich hatte ich ja keine Erfahrungen mit dem Starten und Landen, kannte all das nur aus irgendwelchen Simulationen, aber eine innere Stimme, wohl seine, ließ mich wissen, dass ich es konnte.
    Ich schloss die Tür, setzte mich auf den Pilotenstuhl und genoss für einige Sekunden das Gefühl, das in mir aufstieg wie eine Flamme, die alles andere verzehrte. Gleich würde ich in der Luft sein. Antonia, es war der Wahnsinn. Ich betätigte einen grünen Knopf, hörte irgendein Gemurmel und merkte, wie die Turbinen der Maschine zu rotieren begannen.
    „Und jetzt heb´ ab“, sagte die Stimme. Das Rollfeld lag vor mir. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Langsam drückte ich den Hebel für das Gas nach vorn und, oh Mann, ich kann es immer noch nicht glauben, das Flugzeug bewegte sich. Es bewegte sich, weil ich es so wollte. Und dann hob ich ab. Ich befand mich über dem Friedhof und erst jetzt, in der Luft, sah ich, das er unendlich weit war. Ich konnte sein Ende nicht erkennen, selbst aus der Luft. Plötzlich saß er neben mir.
    „Wie gefällt dir das?“ fragte er. Ich drehte mich zu ihm. Der Mann, zu dem die Stimme gehörte, trug einen langen, schwarzen Umhang mit Kapuze, die er sich über den Kopf gezogen hatte. Ich sah nichts von ihm, außer das Funkeln seiner goldenen Augen. Aber ich glaubte, dass er lächelte, während er so neben mir, auf dem Co-Pilotenstuhl, saß.
    „Es ist der Wahnsinn“, sagte ich. Mehr konnte ich einfach nicht sagen. Und mir war es auch egal, wer neben mir saß, obwohl ich schon längst eine Ahnung hatte.
    „Flieg´ über den Fluss. Dort gibt es eine Menge zu tun.“
    Das Wasser, das wir überquerten, war dunkel und sah aus wie flüssiges Teer. Die Wellen, die es schlug, glichen Armen, die in der Luft nach Freiheit suchten. Ein wenig unheimlich war das schon, aber, hey, ich war in der Luft und glücklich.
    Als wir das andere Ufer erreichten, änderte der Himmel augenblicklich seine Farben. Zuvor, über dem Friedhof, war er pechschwarz gewesen, und jetzt schien die Sonne durch vereinzelte Wolkendecken, die an einem strahlend blauen Himmel hingen. Ein Regenbogen zeichnete sich in der Ferne ab. Und als ich einen Blick nach unten warf, wurde mir klar, dass wir über Deutschland hinweg flogen.
    Er sagte: „Siehst du die blauen Punkte auf dem Koordinatensystem? Die müssen wir anfliegen. Du brauchst nur die Schnauze des Fliegers in die jeweilige Richtung setzen und wir werden ganz automatisch dort ankommen.“
    Das gesamte Koordinatensystem stellte unsere Welt dar. Mir wurde immer bewusster, mit wem ich hier unterwegs war, aber, Antonia, ich werde es nicht aussprechen, denn das wirst du mir sowieso nicht glauben. Du würdest lachen.
    „Welchen Punkt soll ich denn zuerst anfliegen?“
    „Das überlasse ich dir, mein Freund“, sagte er und drehte seinen Kopf in meine Richtung. Als ich ihn anblickte, erschrak ich für einen Moment. Es waren nicht seine Augen, die golden funkelten, es war sein ganzes Gesicht, wenn man es so nennen konnte. Die Haut war glatt und glänzte seidig. Das Gesicht wirkte wie ein goldenes Oval, aber eindeutig mit Mund und Augen beschrieben. Die Nase fehlte.
    Ich suchte mir eine Stelle in Afrika aus. Es dauerte nicht lang und wir überflogen das Gebiet, dass auf der Karte blau beleuchtet war.
    „Okay, so weit machst du dich echt gut, Hendrik. Jetzt musst du nur noch landen und die erste Prüfung hast du bestanden.“
    Weißt du, Antonia, wir überflogen ein Gebiet, dass von Häusern gesäumt war. Einige der wenigen Großstädte in der afrikanischen Welt. Wo sollte ich dort landen?
    „Du kannst landen, wo du willst. Unser Flugzeug sieht sowieso niemand“, antwortete er, als wären meine Gedanken gesprochene Worte. Also suchte ich mir eine Straße, irgendwo in der Stadt, und vollbrachte eine Landung, die aus jedem Lehrfilm hätte stammen können. Antonia, ich war... ich bin ein guter Pilot. Und das hatte ich ihm bewiesen. Er legte eine Hand auf meine Schulter und lobte mich, wie ein Lehrer seinen Schüler lobte.
    „Du warst bisher eine große Hilfe, doch jetzt kommt es darauf an, Hendrik. Wenn du die nächste Prüfung nicht bestehst, dann muss ich dich leider zu den Anderen stecken und mir einen neuen Gehilfen suchen.“
    Ich ahnte, was geschehen sollte. Er drückte einen Knopf auf der Schaltfläche und die Ladeklappen wurden geöffnet. Ich folgte ihm aus dem Cockpit nach hinten.
    „Warte hier, bis ich

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