Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)
ganz gut eingelebt“, sagte ich. Dann gab ich mir einen Ruck. „Wenn du Lust hast, komm doch mal ins Orion . Ich … na ja … ich mach da am Samstag immer die …“
„Nein“, rief Bine plötzlich und sprang hoch. „Aus, Donna! Aus!“ Der schwarze Labrador war auf die Beagle-Dame zugestürzt. Donna sprang begeistert auf ihn zu. Die Leine schleifte neben ihr. „Sie ist läufig“, brüllte Bine und versuchte dazwischenzugehen. „Nehmt den Hund weg!“
Die Frau mit dem Kind versuchte, sich durchzudrängeln. „Bei Fuß, Shakespeare!“, rief sie. „Shakespeare, komm her!“ Aber Shakespeare dachte überhaupt nicht daran. Die Hunde bellten ohrenbetäubend, wälzten sich auf dem Boden, verbissen sich spielerisch ineinander. Bine griff immer wieder dazwischen, bekam Donnas Leine aber nicht zu fassen.
Als die Bahn hielt, schob sie den Labrador mit dem Fuß zur Seite, schnappte sich Donna und stürmte raus. Geistesgegenwärtig griff ich nach Shakespeares Leine, sonst wäre er einfach hinterher gesprungen. Dann war die Frau bei mir, nahm mir die Leine ab und entschuldigte sich hundertmal.
Ich sah mich um, suchte einen Platz und setzte mich neben einen jungen Mann. Ich schaute aus dem Fenster, versuchte noch einen Blick auf Bine zu erhaschen, aber sie war schon weg.
Als ich plötzlich den Kopf meines Sitznachbarn an der Schulter spürte, dachte ich noch, dass er einfach nur eingeschlafen war. Doch dann sah ich, wie grau sein Gesicht war. Er presste die Hände auf Brust und Hals, und während er auf mich zurutschte, starrte er mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Ich hatte mein Handy schon draußen. „Es wird alles gut“, sagte ich panisch, während ich 112 drückte. „Es wird alles gut, Herr Flössow.“
Seine gelben Gummistiefel quietschten, als er mir vollends auf den Schoß rutschte. - - -
„Anaphylaktischer Schock“, sagte der Arzt. „Die Blutgefäße erweitern sich, dadurch fällt der Blutdruck extrem ab, der Puls verflacht, und lebenswichtige Organe werden nur noch schlecht durchblutet. Das kann zum Organschock führen. Die Betroffenen werden bewusstlos. Ohne Hilfe stirbt man daran.“
„Oh … mein … Gott“, brachte ich nur hervor.
„Bei dem Riesenwirbel, den Sie beschrieben haben, müssen die Haare nur so geflogen sein. – Er darf nicht in Kontakt mit Tierhaaren kommen.“
Ich war im Krankenwagen mitgefahren. B. Flössow war nicht mehr grau, sondern blau gewesen. Sie hatten ihm noch im Wagen ein hochkonzentriertes antiallergisches Mittel in die Vene gespritzt. Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er nach meiner Hand gegriffen und sie festgehalten.
„Ihr Freund verdankt Ihnen sein Leben.“
- - -
Paul mochte mich nicht.
Als ich für Gudrun eingesprungen war, hatte er mich nach drei Liedern zur Rede gestellt.
„Was soll das?“
„Ich bin eine Freundin von Gudrun“, sagte ich. „Ich vertrete sie.“
„Wieso hab ich das Gefühl, dass du mich verarschst?“
Ich zuckte nur mit der Schulter und stimmte Summertime an. Kaum, dass die ersten Takte erklangen, fingen die Umstehenden an zu klatschen und mitzusummen. Paul verschwand wieder hinter der Bar.
Um Mitternacht zählte er mir das Geld aus: „Acht fünfzig die Stunde, mehr gibt’s nicht. – Kannst du die Samstag- und Sonntagabende übernehmen? Von acht bis Mitternacht?“
Ich nickte. Da sah er mich abschätzend an. „Bist du eigentlich alt genug dafür?“
„Ich bin dreiundzwanzig“, sagte ich und zählte das Geld nach. „Alt genug, um zu wissen, dass hier acht fünfzig für die erste Stunde fehlen.“
„Du hast halb neun angefangen, nicht um acht“, schnaubte Paul.
„Vier fünfundzwanzig“, sagte ich und hielt die Hand auf.
„Hör zu“, sagte er und zählte mir das Geld in die Handfläche, „ich hasse es, wenn jemand denkt, er könnte mich verarschen. Das kannst du auch deiner Freundin Gudrun ausrichten. Billige Musiker gibt’s in dieser Stadt wie Sand am Meer!“
„Und Berufsnörgler nur hier“, sagte ich, steckte das Geld in die Hosentasche und ging zur Saloontür. Ich ließ die Hüften schwingen, wie auch Gudrun es immer getan hatte. Die tausend Pailletten an dem Tuch um meine Hüften glitzerten. Ich spürte, wie Paul mir nachsah. Und da verstand ich plötzlich, warum Gudrun sexy Kleider in abgrundtief hässlichen Farbtönen trug. Warum sie nach jedem dritten Song aufstand, um langsam und mit wiegendem Schritt an die Bar zu gehen und eine zu rauchen: Nach jedem dritten Song machte sie Paul
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