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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Wagner
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Landschaft.
    Einmal öffneten wir die Truhen. Wir wickelten die faustgroßen Dinge mit A aus und wieder ein. Ich aber dachte an einen dünnen, krakeligen Buchstaben, der unter einem weißen Kiesel in Halbreich schlief.
    Manchmal brachten Ina und Carsten den Fernseher in Mas Zimmer, und wir schauten alle zusammen Menschen unserer Zeit oder Die Entstehung der Welt . Ich spürte, dass Ina das Klavier nicht mochte, dass sie es nicht mochte, wenn ich stundenlang davor saß und meine Finger mit den gezeichneten in Unterm Notenbaum verglich, aber sie sagte es nicht laut.
    Ich schloss mich nie aus, wenn sie den Fernseher aufstellten, ich schaute brav alle Filme, die sie aussuchten. Nur sprechen mochte ich nicht mehr mit ihnen. Nicht, seit sie mein Fenster zugeschraubt hatten. Ich erzählte nichts mehr von mir, ich schrieb auch nichts mehr, ich antwortete nur noch, wenn sie etwas fragten.
    - - -
    Die Bäume standen dicht vor dem Fenster, sie machten das Licht grün, und ich fühlte mich in dem Wirtshaus wie in einer Flasche. Eingesperrt und verkorkt. Es gab Nachmittage, an denen ein Schauer aufkommen wollte, und ich beschrieb Ma den Schauer. Aber er war zu zaghaft, denn bevor er in den Boden dringen konnte, verdampfte er auf der rissigen Erdschale.
    Ina kam oft herein. Sie hatte eine Schürze umgebunden, weiß wie der Winter und frisch gestärkt, sie wischte Staub und verrückte dabei meine Sachen auf dem Regal. Sie legte mir Aufklärungsbücher auf das Klavier, was ich peinlich fand. Dann setzte sie sich auf mein Bett. Ich erwiderte ihren Blick. Ich hasste sie nicht einmal. Nein. Dafür war sie mir zu fremd.
    Nach einer Weile wich Inas Lächeln und machte einem anderen Ausdruck Platz. Sie presste den Mund zusammen, und ihre Augen verengten sich. Als hätte sie eine Frage gestellt und keine Antwort bekommen. Dann stand sie abrupt auf und verließ das Zimmer. Ich drehte mich zur Wand.
    Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Und weil ich schon alles durchgedacht hatte, dachte ich an das Mädchen, das ganz für sich am Weiher getanzt haben musste, ich dachte an ihr feines Gesicht, an die deutlich sichtbaren Adern unter ihrer weißen Haut. Ich hörte wieder ihre Stimme und schaute aus dem Fenster, ich schaute, so weit das Auge griff, bis zum Ende der Dorfstraße, wo die Felder begannen, und dann in die Wiesen, die in den Campingplatz, den Schilfwald und in den Weiher hineinliefen. Ich sank in die Erinnerung, in das Gefühl einer fremden Einsamkeit, das ich an jenem Nachmittag in Halbreich verspürt hatte, und mehr als alles fühlte sich diese Erinnerung wie ein Zuhause an.
    Ma spürte, dass etwas Unaussprechliches mit mir passierte. Sie setzte sich auf. Sie sagte meinen Namen und griff nach meiner Hand. Aber meine Hand war schon nicht mehr da. Sie war dort, wo meine Augen waren, draußen, in diesem Sommer, den keiner wollte. Nichts wurde groß in jenem Jahr, selbst die Tomaten blieben winzig und fielen von den dürren, gelben Stängeln. Ma spürte es, und sie hatte Angst. Denn es war der Sommer gewesen, in dem ich langsam verschwand.
    - - -
    Ma stand wieder auf. Sie stand abends, als wir wieder alle vor dem Fernseher saßen, auf. Sie schaltete den Fernseher ab und sagte: „Ohne das Verbot, rauszugehen, hätte Mila nicht das Fenster, sondern die Tür benutzt! Sie hätte sich nie das Bein gebrochen!“
    Ein letztes Mal lehnte sie sich auf. Ein letztes Mal war sie dort, wo wir einander brauchten: miteinander.
    Ina fing zu schreien. Ma sprach ungerührt weiter: „Ich hab nichts von Schuld gesagt. Hör auf. Ich bin ihre Mutter.“
    Da war Ina still. Ihre Lippen waren blass, und rote Flecken wanderten über ihr Gesicht.
    Gegen Ina und Carsten setzte Ma durch, dass alle Verbote aufgehoben wurden. - - -
    Manchmal tut jemand genau das Richtige, und später stellt es sich als der wunde Punkt der Geschichte heraus.
    Als mir der Gips abgenommen wurde, war der Sommer noch immer wie flüssiger Stahl. Er glühte, als gäbe es kein Ende. Selbst der Wind brachte keine Kühlung, er schwelte auf der Haut. Ich aber fühlte mich nach den Wochen zwanghafter Ruhe wie ein freigelassenes Pferd. Ich probierte ein paar vorsichtige Schritte in meinem Zimmer, ich hüpfte, ich stampfte auf, und dann lief ich durch das Tor hinaus. Es gab kein Verbot mehr, ich durfte auch zum Campingplatz, zum Weiher, einfach so.
    Jener Nachmittag. Ich war weit draußen auf den Wiesen, als es anfing. Auf dem Campingplatz war niemand gewesen, er lag verwaist da. Der Kiosk hob

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