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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Wagner
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Arme in die Hüfte gestemmt. Sie sah aus wie das „Ungewitter“, das Papa zu Poes Gedicht Annabelle Lee gezeichnet hatte. Da kam eines Tages stracks ein Ungewitter und spieh seinen Geifer aus, Höllengraus … „Und jetzt sag uns noch einmal, dass wir nicht wissen, was du willst!“, rief sie schrill.
    Ich schwieg. Ich saß mit meinem Gipsbein auf dem Stuhl und starrte durch beide hindurch. Ich starrte durch das Fenster hinter ihnen nach draußen.
    - - -
    Ich blieb im Haus, zur Bewegungslosigkeit verdammt. Ma war ebenfalls krank. Das Telefon stand in Carstens Zimmer, ich kam nicht ran, weil ich keinen Schlüssel für seine Tür hatte. Ich hörte sie einige Anrufe machen, konnte aber nicht verstehen, worum es ging. Von niemandem erfuhr ich, was am Campingplatz passiert war. Was mit Jamie war. Mit Karina.
    Nach zwei Tagen beobachtete ich vom Fenster aus, wie ein Laster die Straße entlanggefahren kam. Er bremste vorm Anker ab, und ich sah, wie Carsten aus dem Haus kam, kurz mit dem Fahrer redete und dann auf der Beifahrerseite einstieg. Der Lastwagen fuhr an und verschwand in Richtung Campingplatz. Erst nach einer langen Weile senkte sich der Staub auf der Straße
    Eine Woche nach meinem Unfall kam Jenny Ziegler zu Besuch.
    „Du machst ja Sachen!“, sagte sie und klopfte auf meinen Gips. „Kann ich da was raufschreiben?“
    Ich schüttelte den Kopf. Auf gar keinen Fall wollte ich irgendeinen blöden Spruch von Jenny Ziegler auf meinem Bein haben.
    „Wieso nicht?“, schnappte sie. „Das ist gemein! Bei Ron haben damals auch alle was auf den Gipsarm geschrieben.“ Ron war ein Idiot. Er war achtzehn, ging aber immer noch in die Zehnte. Den Arm hatte er sich damals bei einer dieser bescheuerten Mutproben gebrochen. Er war als Einziger vom Dach der Sporthalle gesprungen. Jenny fand ihn offenbar toll. Seit Neuestem hockte er oft im Anker rum. Schleimte Carsten an.
    Um Jenny wieder aus der Schmollecke rauszuholen, sagte ich: „Okay, du kannst nachher was raufschreiben.“
    Sie lachte. Und dann wurde sie plötzlich ernst und raunte geheimnisvoll: „Wo mag er jetzt bloß sein?“
    „Wer? Ron?“
    „Quatsch“, sagte sie. „Weißt du’s etwa noch nicht?“ Sie machte große Augen.
    „Was denn?“, fragte ich genervt.
    „Jamie ist weg“, sagte sie. Über ihr Gesicht zog sich eine hektische Röte. Sie suhlte sich darin, es mir als Erste zu sagen. „Seit einer Woche! Über Nacht, stell dir mal vor. Er hat alles mitgenommen, den Opel, den Bauwagen, den Sessel! Er ist einfach auf und davon. Kein Mensch weiß, wohin.“
    Ich schluckte und sah nach draußen.
    „Der hatte bestimmt was laufen“, sagte sie, lachte dann komisch und klang für einen Moment so wie Carsten. „Hatte Schulden oder so was, garantiert! Sonst haut man doch nicht einfach ab!“ Sie kam zu mir rüber ans Fenster, boxte mich leicht gegen den Oberarm. „Na ja, gut für euch, oder? Dein Onkel hat ja jetzt einen richtigen Kiosk aufgestellt.“
    Ich sah sie an, sah auf ihren plappernden Mund und hasste sie.
    „Einen richtigen Kiosk?“ Das also war neulich in dem Laster gewesen.
    „Ja“, sagte Jenny eifrig. „Achteckig, aus weißem Holz und mit Glühlampen oben dran. Sieht total schick aus. Und Plastikstühle gibt’s jetzt auch da draußen! Und Musik aus Boxen. Ron schmeißt den Laden. Dein Onkel hat ihn dafür eingestellt, dass er abends die Getränke verkauft und grillt, wusstest du das nicht?“
    „Wie geht’s eigentlich Karina?“, flüsterte ich.
    „Ach die“, sagte Jenny verächtlich. „Kannste vergessen. Hat schlechte Laune bis sonst wohin, hockt stundenlang in ihrem Zimmer und telefoniert mit Rebecca.“ Rebecca war Karinas beste Freundin. Sie standen in der Schule immer zusammen auf dem Schulhof. „Spielt sich tierisch auf, wenn ich den Stecker rausziehe, weil wir nicht so viel telefonieren sollen. Kann ich doch nichts dafür, dass unser Alter immer ausrastet, wenn er die Telefonrechnung sieht. Und nicht nur Karina kriegt es ab, sondern ich auch!“ Jenny steigerte sich rein, kam sich richtig wichtig vor. „Dabei geht’s wieder mal bloß um irgend’n Typen. Macht’n Riesengeheimnis drum. Heult die ganze Zeit. Die ist einfach bescheuert.“
    Sie hatte sich einen Filzstift aus meiner Federmappe geschnappt, beugte sich über mein Gipsbein und schrieb quer über mein Schienbein: Mit Feuer und Kanonen – soll dich der Teufel holen – wenn du vergisst – wer Jenny Ziegler ist.
    „Vielleicht liebt sie ihn ja“, sagte ich und

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