Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Blau«, stöhnte Seregil, »etwas so Blaues!« Mit einem hohlen Stöhnen fiel er in sein Kissen zurück.
»Seregil! Seregil, kannst du mich hören?« rief Nysander und fühlte den Puls am Hals.
»Was ist los?« fragte Alec.
»Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht hat er eine Vision oder eine Erinnerung, die ihn überwältigt. Bring ein Tuch und den Wasserkrug.«
Seregils Augen flatterten wieder auf, als Alec ihm die Schläfen mit einem kühlen Tuch betupfte.
»Du darfst nicht weitermachen«, warnte Nysander und strich ihm über die Stirn. »Du hast zusammenhanglos gesprochen, als ob deine Gedanken durcheinandergebracht würden, in dem Moment, da du sie aussprachst.«
»Ist es denn möglich, daß die dunkle Gestalt hier war?« fragte Alec.
»Eine solche Präsenz hätte ich gespürt«, versicherte ihm Nysander. »Nein, es war, als brächten die Erinnerungen selbst eine geistige Verwirrung. Außerordentlich interessant. Kannst du jetzt sprechen, lieber Junge?«
»Ja«, krächzte Seregil und fuhr sich mit der Hand über die Augen.
»Ruhe dich jetzt aus und denke zunächst nicht mehr an diese Dinge. Ich habe genug gehört.« Nysander erhob sich und ging zur Tür.
»Nun, aber ich noch nicht!« Seregil stützte sich auf einen Ellbogen. »Nicht annähernd genug! Was geschieht mit mir?«
Alec glaubte, im Gesicht des Zauberers einen Anflug von Schmerz zu erkennen.
»Vertraue mir, lieber Junge«, sagte der Zauberer. »Ich muß nun über das, was ich bisher erfahren habe, nachdenken. Soll ich Wethis schicken, damit er dir eine Mahlzeit bringt?« Alec wappnete sich gegen ein weiteres Auflehnen, aber Seregil sah nur weg und schüttelte den Kopf. Er kümmerte sich um das Feuer, und als Nysander gegangen war, zog er den Stuhl an Seregils Bett und setzte sich zu ihm.
»Diese dunkle Gestalt, mit der du gekämpft hast«, begann er und zupfte dabei nervös an seinem Hemdsärmel. »War sie tatsächlich im Karren? Und im Zimmer? War sie tatsächlich dort?«
Seregil schauderte, und starrte an ihm vorbei ins Feuer. »Sie war real genug für mich. Ich glaube, du hast uns beiden das Leben gerettet, als du mir das Stückchen Holz abgenommen hast.«
»Aber das war doch nur reiner Zufall! Was wäre geschehen, wenn ich es nicht getan hätte?«
Seregil blickte ihn kurz an, dann zuckte er mit den Schultern. »Du hast es getan, und nun sind wir hier in Sicherheit. Das Glück in den Schatten stellt man nicht in Frage. Du kannst dich nur bedanken und hoffen, daß es dich nicht verläßt!«
Tief in der Nacht holte Nysander die Holzscheibe aus dem Gefäß. Das Netzwerk an Zaubersprüchen, das er vor der Untersuchung gewirkt hatte, ließ den Raum um ihn vibrieren. Er hielt die Scheibe mit einer Zange und drehte sie nach allen Seiten. Dabei versuchte er, die magische Kraft des Dings abzuschätzen. Trotz ihres gewöhnlichen Aussehens verströmte sie Energie, die er so stark empfand, als würden Wellen gegen seinen Haut spülen.
Schweren Herzens versiegelte er das Ding wieder, steckte es ein und machte sich auf den Weg in die Gewölbe unter dem Orëska-Haus, um seinen nächtlichen Gesundheitsspaziergang zu unternehmen.
18
Um den Ring
Alec sah entsetzt, aber auch überrascht zu, wie sich Seregil am nächsten Morgen aus dem Bett kämpfte.
»Das würde Valerius nicht gefallen.«
»Dann können wir von Glück sagen, daß er uns nicht sieht, hm?« Seregil blinzelte ihm zu und hoffte, der Junge würde nicht bemerken, wie wackelig er sich auf den Beinen fühlte. »Abgesehen davon gibt es nichts Wohltuenderes als ein gutes Bad. Stütze mich ein wenig, dann komme ich schon zurecht.«
Widerwillig führte Alec seinen Freund zu den Bädern.
Außer Atem, aber in bester Laune, ließ sich Seregil von einem der Diener in eine Wanne helfen, während Alec auf einer Bank in der Nähe Platz nahm.
»Bei Illiors Licht, es ist wundervoll, wieder in einer zivilisierten Stadt zu sein!« schwärmte Seregil und tauchte bis zum Kinn ins dampfende Wasser.
»Ich bin noch nie jemandem begegnet, der so oft badet wie du«, murrte der Junge.
»Ein ordentliches Bad würde auch deine Stimmung heben«, neckte Seregil und wunderte sich über die Bitterkeit, die sein Freund an diesem Morgen an den Tag legte. Er wirkte besorgter als auf der schwierigen Reise durch Mycena.
»Bei der Liebe Illiors, Alec, entspanne dich! Keiner hier sieht dir zu.« Er spielte mit den Zehen im Wasser. »Ich denke, wir sollten
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