Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
anschließend ein wenig draußen Spazierengehen.«
»Du hast es kaum bis hierher geschafft«, bemerkte Alec resigniert.
»Wo bleibt denn heute deine Neugierde? Seit einer Woche lebst du im Herzen der größten Sammlung jeder erdenklichen Magie, und du hast noch kaum etwas gesehen!«
»Ich mache mir größere Sorgen darum, was Nysander sagen würde, wenn er dich hier herumspazieren sähe. Ich bin schließlich für dich verantwortlich.«
»Niemand außer mir ist für mich verantwortlich«, stellte Seregil fest und hielt zum Nachdruck einen Finger voller Seifenschaum hoch. »Nysander weiß das, und Micum weiß es auch. Selbst Valerius weiß es. Und jetzt weißt du es auch.«
Er war völlig überrascht, als Alec aufstand, sich umdrehte und zum großen Becken ging. Dort blieb er stehen und wandte Seregil den Rücken zu.
»Was hast du denn?« rief ihm Seregil überrascht hinterher.
Alec murmelte etwas und verlieh seinen Worten mit einer scharfen Handbewegung Nachdruck.
»Was? Ich kann dich nicht hören, die Brunnen plätschern zu laut.«
Alec wandte sich um. Er hatte die Arme über der Brust verschränkt. »Ich sagte, ich sei verantwortlich für dich, solange du krank bist!«
Und ich bin ein blinder Narr! schalt sich Seregil, als er plötzlich erkannte, worum es ging. Er mühte sich, aus der Wanne zu steigen, nahm ein Handtuch und ging zu Alec.
»Ich bin tief in deiner Schuld«, sagte er und betrachtete dabei Alecs finsteres Profil. »Es ist so viel geschehen, und ich hatte noch keine Gelegenheit, dir dafür zu danken.«
»Ich verlange deinen Dank nicht.«
»Aber trotzdem verdienst du ihn. Und außerdem tut es mir leid, daß ich dich jetzt verletzt habe. Es ist nur so, daß ich normalerweise von niemandem etwas erwarte.«
Alec blickte ihn finster an. »Micum hat mir etwas anderes erzählt. Er sagte, du verlangst Loyalität und würdest niemals jemandem vergeben, der dich betrügt.«
»Nun – ja. Aber das ist doch nicht dasselbe, oder?«
Blut stieg in Alecs Wangen. »Ich weiß nur, daß ich dir gegenüber loyal war, und nun brauchst du mich nicht mehr, was zum Teufel tue ich überhaupt noch in Rhíminee?«
»Wer behauptet, ich wollte dich nicht hier haben?« gab Seregil überrascht zurück.
»Niemand. Zumindest nicht direkt. Es ist nur, seit wir hier sind, ich meine, seit dem Schiff – mit den Heilern und Magiern und …« Alec suchte nach Worten. »Ich weiß nicht, ich glaube, ich gehöre einfach nicht hierher.«
»Natürlich tust du das!« entfuhr es Seregil. »Wer behauptet, daß du nicht hierher gehörst? Thero! Dieser selbstzufriedene Bastard …«
»Thero sagte gar nichts.« Eine lastende Stille trat ein, während der sich keiner der beiden wohl fühlte.
»Ich kann nackt nicht streiten«, sagte Seregil schließlich und verzog das Gesicht. Das zumindest entlockte Alec den Anflug eines Lächelns. »Wenn du herausfindest, was dich so wütend macht, laß es mich wissen. Inzwischen sollten wir uns das Museum ansehen. Ich versprach, dir Wunder zu zeigen, und das ist ein guter Ort, damit anzufangen.«
Das Bad und die neuen Kleider hatten Seregil erfrischt, und er ließ sich von Alec durch das Atrium geleiten und durch den Gang dahinter.
»Die Gewölbe unter dem Bauwerk platzen aus allen Nähten«, erklärte er und stützte sich dabei nach wie vor auf Alecs Arm. »Ich bin oft mit Nysander und Magyana dorthin gegangen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Schätze unter deinen Füßen gehortet liegen.«
Alec öffnete die große Tür zum Museum und stieß einen leisen Pfiff aus.
Das Gewölbe unterhalb des Orëska Hauses, das als Museum diente, hatte etwa die Größe des Bades. Hier jedoch waren die Wände mit Teppichen, Gemälden, Schilden und Waffen behangen. Von der Decke hing das Skelett eines gewaltigen, schrecklichen Wesens, das gewiß fünfzig Schritt lang war und Zähne hatte. An den Wänden und inmitten des Raumes standen hölzerne Vitrinen aller Größen, manche von dicken Kristallscheiben geschützt. In einer, die ihnen am nächsten stand, lag eine Sammlung juwelenbesetzter Gefäße. Die Vitrine daneben enthielt eine goldene Krone, in die Rubine eingesetzt waren. In einer weiteren konnte man alles mögliche Gerät sehen, das ein Magier brauchte.
»Wie gefällt es dir?« flüsterte Seregil und freute sich am offensichtlichen Erstaunen des Jungen. Alec erwiderte nichts, als er sich eine Vitrine nach der anderen ansah. Er wirkte wie ein Durstiger, der auf einen Quell gestoßen
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