Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
wegreiten, wenn du in Schwierigkeiten bist?«
»Ich kann morgen abend schon wieder zurück sein.«
»Also willst du mich bloß aus dem Weg haben!«
Seregil ging zu Alec hin, legte ihm die Arme um die Schultern, packte ihn sanft im Nacken und sah ihm ernst in die Augen. »Das ist eine gefährliche Angelegenheit. Wie kann ich mich auf meine Aufgabe konzentrieren, wenn ich ständig fürchten muß, dich während einer Verfolgung in irgendeiner dunklen Gasse aus den Augen zu verlieren? Ich habe kein gutes Gefühl dabei, wenn ich dich mitnehme, zumindest so lange nicht, bis du dich wirklich selbst schützen kannst. Deshalb ist es auch so wichtig für dich, den Umgang mit dem Schwert zu erlernen. Geh zu Micum und lerne bei ihm. Er kann dir in einer Woche mehr beibringen als ich in einem halben Jahr, das garantiere ich dir.«
»Du hast mich aber keineswegs für so hilflos gehalten, bevor wir nach Rhíminee kamen«, grollte Alec und versuchte, sich von ihm loszureißen.
Seregil festigte seinen Griff ein wenig und ließ den Jungen nicht los. »Oh, du bist absolut nicht hilflos, mein Freund. Das wissen wir beide.« Dann gab er ihn frei und fügte hinzu: »Aber glaube mir, wenn ich dir sage, daß du noch nicht das Rhíminee erlebt hast, wie ich es kenne.«
»Aber was wird mit den Leranern? Kannst du hier weg, während sie gegen dich intrigieren?«
»Der Brief wurde heute morgen überbracht. Es wird also mindestens einen oder zwei Tage dauern, bis sie mißtrauisch werden und sich fragen, ob er je angekommen sei. Und selbst dann bezweifle ich, daß sie sofort losschlagen werden.«
»Warum nicht? Sollten sie eine weitere Kopie haben, brauchen sie die doch nur jemand anders überbringen lassen.«
»Sie werden nichts unternehmen, solange sie nicht wissen, was mit der ersten Fälschung geschehen ist. Und das werde ich so lange geheimhalten, bis ich soweit bin, sie es wissen zu lassen«, versicherte ihm Seregil mit einem grimmigen Lächeln. »Jetzt geh schon und pack deine Sachen. Der Tag ist bereits halb vergangen, und wir müssen dir noch ein Pferd kaufen!«
22
Ein Pferd, zwei Schwäne und drei Töchter
Der Viehmarkt lag gleich vor der Stadtmauer in der Nähe des Tors zum Erntemarkt. Alec, der auf einem geliehenen Pferd saß, blickte sich interessiert um, als sie schließlich zu der Koppel der Pferdehändler gelangten.
»Nach ihr habe ich gesucht«, sagte Seregil und deutete auf eine Frau, die ein staubiges Reitkleid und Stiefel trug. Sie stand neben einer der abgetrennten Einzelkoppeln und war in ein hitziges Gespräch mit mehreren Männern verwickelt. Seregil stieg ab und führte Scrub hinüber, um sich der Unterhaltung anzuschließen. Die Pferdehändlerin nickte ihm zu und zeigte mit dem Daumen hinüber zu einem großen Holzgebäude, das einige hundert Schritt entfernt lag.
»Verdammt idiotisch, so was zu machen«, grollte sie. »Schaut, wie nervös meine armen Hübschen geworden sind!«
»Ihr sprecht vom neuen Schlachthof, nicht wahr?« fragte Seregil, und dabei rümpfte er die Nase. Eine leichte Brise trug den süßlichen Gestank von dort herüber. Das Krächzen und Schreien von Raben, Krähen und Möwen, die sich um die weggeworfenen Innereien in den Abfallgruben hinter dem Schlachthof stritten, war deutlich zu hören.
Die Pferdehändlerin lehnte sich an die obersten Baumstämme, die zur Abzäunung der Koppel dienten, und beobachtete ihre Tiere, wie sie nervös tänzelten und stampften, weil ihnen die Witterung vom Schlachthof her in die Nüstern drang.
»Wir haben längst eine Petition eingereicht, daß wir einen eigenen Markt brauchen, und zwar weit von den verdammten Metzgern entfernt. Aber den Rat scheinen unsere Belange nicht zu kümmern. Kühe, Schweine, Schafe, die sind alle zu dumm und unempfindlich, als daß sie der Gestank von Blut störte, selbst wenn sie darin schwämmen! Aber meine armen Schönheiten hier – schaut sie Euch an! Wie kann ich Euch ein ruhiges Tier vorführen, wenn sie diesen Gestank in den Nüstern haben?«
»Wendet Euch mit der Petition direkt an den Hof der Königin«, riet ihr Seregil. »Idrilain versteht sehr viel mehr von Pferden als die fetten Kaufleute im Rat der Straßen und Märkte.«
Einer der anderen Pferdehändler nickte. »Ja, das ist keine schlechte Idee.«
»Meisterin Byrn, wir haben schon so oft Geschäfte miteinander gemacht, daß ich mich getrost auf die Qualität Eurer Tiere verlasse.« Seregil deutete auf Alec, der bereits dabei war, sich die Herde
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