Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
treffen?«
»Um die Wahrheit zu sagen, habe ich Alec ein wenig vermißt. Du hast ihn in letzter Zeit schwer beschäftigt. Unglücklicherweise ist das aber nicht der einzige Grund für mein Kommen. Ich hätte gern gewußt, was du hiervon hältst.«
Er zog eine kleine Schriftrollenhülle aus der Tasche und reichte sie Seregil. An einem der Bindfäden, die noch darum gewickelt waren, baumelte ein Wachssiegel.
»Das ist eines von meinen«, bemerkte Seregil überrascht, als er das Siegel näher betrachtete. Die Überraschung auf seinem Gesicht verstärkte sich noch, als er einen Bogen aus beigem Pergament aus der Rolle zog und den Text darauf überflog. »Das ist eine Mitteilung an Baron Lycenias, die ich letztes Frühjahr geschrieben habe. Ich bedankte mich darin für eine Jagdwoche, die ich auf seinen Gütern verbracht hatte. Du hast mich selbst dorthin geschickt, erinnerst du dich? Diese Geschichte mit Lady Northil.«
»Ich schlage vor, du liest es dir sorgfältig durch.«
»Sehen wir mal … das Wappen ist in Ordnung, und das Datum, der dritte Tag des Lithion, das ist auch korrekt. ›Mein lieber Lycenias í Marron, gestattet mir, Euch noch einmal meinen herzlichsten Dank für eine wundervolle …‹ ja, ja, die üblichen Floskeln, gute Jagd, löbliche Kameradschaft, was für ein …« Er unterbrach seine Litanei und lachte ungläubig auf. »Bei Bilairys Eiern, Nysander! Wie es scheint, danke ich ihm auch noch für mehrere Nächte fleischlicher Wonnen! Als ob ich diesen stinkenden Haufen von Gedärmen auch nur berühren würde!«
»Lies weiter; es kommt noch schöner.«
Seregil studierte das Schriftstück. Seine Augen blitzten düster dabei, doch schon einen Moment später wurde er blaß. Er ging mit dem Brief in der Hand ans Fenster, betrachtete ihn genauer und las ihn dann noch einmal.
»Was ist los?« wollte Alec wissen.
»Das gefällt mir ganz und gar nicht.« Seregil zupfte an einer losen Haarsträhne und überflog die Mitteilung wieder. »Allem Anschein nach ist das meine Handschrift, bis hin zu der schwungvollen Schleife, durch die ich das letzte Wort eines Briefes immer mit meiner Unterschrift verbinde – und gerade das mache ich, um eine Fälschung zu vermeiden!«
»Hat jemand den Inhalt verändert?«
»O ja, ganz gewiß. ›Was Tarin Dhial betrifft, könnt Ihr meiner vollständigen Unterstützung gewiß sein.‹ Nein, das gefällt mir absolut nicht!«
»Ich verstehe nicht. Was stimmt daran nicht?« fragte Alec an Nysander gewandt.
»Tarin Dhial ist der verschlüsselte Name eines Spions aus Plenimar, der dabei erwischt wurde, wie er von mehreren Adligen aus Skala Informationen kaufte«, erklärte Nysander. »Sie wurden alle wegen Verrats vor zwei Monaten hingerichtet.«
»Argragil und Mortain«, sagte Seregil unter nachdenklichem Nicken. »Beide waren Lycenias Gäste, und zwar in der gleichen Woche, in der ich mich bei ihm aufhielt. Ich hatte zu der Zeit keine Ahnung, was sie planten. Ich nehme an, du hast bereits geprüft, ob Magie im Spiel ist?«
»Keine Spur davon. Wenn du die Fälschung nicht nachweisen kannst, ließe sich damit großer Schaden für dich anrichten.«
»Aber wie bist du daran gekommen?«
»Es wurde heute morgen anonym an Lord Barien geschickt.«
»Den Vizeregenten?«
»O ja. Glücklicherweise habe ich mehrere Beobachter unter seinen Leuten. Einer davon hat dein Siegel erkannt und das Dokument abgefangen, bevor es bemerkt wurde. Es könnte aber noch weitere Kopien geben. Mich schaudert bei dem Gedanken, welch kolossaler Skandal sich ergeben würde, fiele eine davon in die falschen Hände. Die Schande für die Königin wäre unvorstellbar, ein perfekter Genickschlag durch die Leraner!«
Von den anderen unbemerkt, blickte Alec bei der letzten Bemerkung scharf hoch und musterte verstohlen Seregils Miene.
Bestimmte Verdachtsmomente, die er schon seit einiger Zeit gehegt hatte, nahmen nun langsam klarere Formen an.
»Es gibt nur drei Fälscher, die in der Lage sind, Arbeiten von solcher Qualität anzufertigen«, dachte Seregil laut nach. »Glücklicherweise leben zwei davon hier in dieser Stadt. Es sollte nicht lange dauern, herauszufinden, ob sie irgendwie mit dieser Fälschung zu tun hatten. Ich habe bereits versucht, sie mit der Sache um Vardarus in Verbindung zu bringen, aber leider ohne Erfolg. Doch bei einer so groß angelegten Aktion kann ich mir nicht vorstellen, daß die Leraner ihre Helfer zu weit außerhalb suchen. Sie sind mittlerweile jedoch besser
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