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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Stirnlocke. »Heute abend bekommt ihr Hafer, meine Freunde, und ich ein warmes Bad und ein gutes Essen. Unser Führer ist sein Silber wert, nicht wahr?«
     
    Während des Ritts an diesem Morgen war Seregil viel stiller als gewöhnlich. Als sie jedoch zur Tagesmitte rasteten, fühlte Alec, daß Seregil mit etwas beschäftigt war, denn er hatte denselben nachdenklichen Gesichtsausdruck, den Alec schon an ihm gesehen hatte, als er ihm anbot, ihn aus Asengais Gefangenschaft zu retten. Es war, als sei er sich seiner Sache nicht gewiß.
    »Du erinnerst dich, daß ich dir spaßeshalber eine Lehre anbot«, sagte er über die Schulter hinweg, als er seinen Sattelgurt nachzog. »Was hältst du davon?«
    Alec sah ihn verwundert an. »Als Barde?«
    »Vielleicht ist Lehre nicht der rechte Begriff. Ich gehöre keiner Zunft an, noch weniger bin ich Barde. Aber du bist geschickt und begabt. Ich könnte dir vieles beibringen.«
    »Was denn?« fragte Alec ein wenig vorsichtig, aber doch neugierig.
    Seregil zögerte einen Augenblick, er schien zu überlegen, dann sagte er: »Ich habe mich darauf spezialisiert, Dinge und Informationen zu beschaffen.«
    Alec war enttäuscht. »Du bist ein Dieb!«
    »Nichts dergleichen bin ich«, seufzte Seregil, »zumindest nicht im herkömmlichen Sinne.«
    »Was bist du denn?« wollte Alec nun wissen. »Ein Spion, wie der Gaukler, den du umgebracht hast?«
    Seregil lächelte. »Wenn du wüßtest, wovon du sprichst, müßte ich jetzt beleidigt sein. Laß es mich so erklären, ich arbeite als eine Art Beauftragter für einen außerordentlich respektablen Herrn und trage für ihn Wissenswertes über gewisse ungewöhnliche Vorkommnisse hier im Norden zusammen. Diskretion hält mich davon ab, mehr zu verraten als das, aber sei gewiß, daß mein Ziel edel ist – selbst wenn meine Methoden manchmal einen anderen Eindruck zulassen.«
    Hinter dem plötzlich so hochtrabenden Vortrag seines Gefährten vermutete Alec, daß dieser eben doch zugegeben hatte, ein Spion zu sein. Schlimmer noch war, daß er keine Möglichkeit hatte herauszufinden, ob Seregil die Wahrheit sprach. Gewiß jedoch war, daß er ihm das Leben verdankte, es wäre ihm ein leichtes gewesen, ihn zurückzulassen, außerdem hatte er seither nichts als Freundschaft von ihm erfahren.
    »Ich kann mir vorstellen, daß du geschickt bist im Fährtenlesen und allem, was dazugehört«, fuhr Seregil scheinbar beiläufig fort. »Du sagtest auch, du seist ein guter Bogenschütze, und wenn ich es recht bedenke, kannst du auch gut mit der Axt umgehen. Verstehst du etwas vom Schwertkampf?«
    »Nein, aber …«
    »Das ist nicht so tragisch, mit dem richtigen Lehrer lernst du auch das rasch. Ich kenne da genau den richtigen. Dazu kommt natürlich noch Handlesen, Etikette, Schlösser knacken, Sprachen, Wappenkunde, Kampftechniken – du kannst wohl nicht lesen?«
    »Ich kenne die Runen«, erwiderte Alec, obwohl er in Wahrheit nur seinen eigenen Namen lesen konnte und einige wenige Worte.
    »Nein, ich meine richtiges Lesen und Schreiben.«
    »Halt ein«, rief Alec aus. »Ich möchte nicht undankbar erscheinen – schließlich hast du mir das Leben gerettet, und …«
    Seregil unterbrach den Protest mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Unter den Umständen deiner Gefangennahme war es das mindeste, was ich tun konnte. Aber jetzt spreche ich davon, was du tun möchtest, nicht morgen oder nächste Woche, sondern in Zukunft. Sei ehrlich, willst du den Rest deines Lebens damit verbringen, für einen fetten Wirt in Wolde den Stall auszumisten?«
    Alec zögerte. »Ich weiß nicht. Ich meine, Jagen und Fallenstellen ist alles, was ich gelernt habe.«
    »Um so mehr Grund, es aufzugeben!« rief Seregil aus, und seine grauen Augen glühten vor Enthusiasmus. »Wie alt bist du?«
    »Sechzehn.«
    »Und du hast noch nie einen Drachen gesehen?«
    »Das weißt du doch.«
    »Nun, ich habe bereits einen gesehen«, sagte Seregil und schwang sich wieder in seinen Sattel.
    »Du sagtest, es gäbe keine Drachen mehr.«
    »Ich sagte, es gäbe keine in Skala. Unter dem Vollmond im Winter sah ich jedoch die Drachen fliegen. Ich tanzte auf dem großen Fest von Sakor und trank Weine aus Zengat, ich hörte Nixen singen im Dunst des jungen Morgens. Ich schritt durch die Hallen eines Palastes, der älter ist als die ersten Erinnerungen der Menschen, und ich fühlte die Berührung seiner Bewohner auf meiner Haut. Ich spreche nicht von Legenden oder Träumen, Alec. Ich habe all das getan – und

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