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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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hat. Abgesehen davon habe ich es mir zur Regel gemacht, mich niemals, niemals, niemals der Wahrheit zu bedienen, es sei denn als die letzte Möglichkeit, oder aber sie wäre so unglaublich, daß die Leute mir ohnehin nicht glauben würden. Merke dir das gut.«
    »Nun«, meinte Alec. »Ich könnte sagen, Banditen hätten mich überfallen, und du …«
    Seregil schüttelte den Kopf und bedeutete Alec weiterzumachen.
    Alec spielte mit den Zügeln und ließ sich einige Einfälle durch den Kopf gehen. »Nun, ich weiß, daß es der Wahrheit recht nahe kommt, aber die Leute würden es glauben, wenn ich ihnen sagte, du hättest mich als Führer angeworben. Vater und ich boten gelegentlich solche Dienste an.«
    »Nicht schlecht, mach weiter.«
    »Oder« – Alec wandte sich mit triumphierendem Lächeln an seinen Gefährten – »vielleicht hat Aren mich als seinen Lehrjungen angenommen!«
    »Für einen ersten Versuch ist das wirklich recht gut«, stellte Seregil fest. »Die Geschichte mit der Rettung war im Grunde auch nicht übel. Loyalität ist ein verständliches Motiv und wird selten angezweifelt. Unglücklicherweise würde niemand Aren Windover eine solche Tat zutrauen, er steht leider in dem Ruf, ein Feigling zu sein. Die Geschichte mit dem Führer kommt leider ganz und gar nicht in Frage. Aren Windover ist zu gut bekannt in Wolde und Umgebung. Barden verdienen ihren Lebensunterhalt als fahrende Sänger, warum sollte sich also ein Barde einen Führer leisten in einer Gegend, die ihm wohlbekannt ist?«
    »Oh«, meinte Alec ein wenig enttäuscht.
    »Aber die Sache mit der Lehre ist doch nicht schlecht, oder? Glücklicherweise kannst du singen. Kannst du auch wie ein Barde denken?«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, stell dir vor, du wärst in einer Schenke auf der Handelsstraße. Welcher Art wären dort deine Kunden?«
    »Händler, Wagenführer, Soldaten.«
    »Ausgezeichnet! Und nun stell dir vor, das Bier fließt reichlich, und man verlangt nach einem Lied. Was würdest du wählen?«
    »Nun, ich würde mich wahrscheinlich für die ›Lady von Araman‹ entscheiden.«
    »Eine gute Wahl. Und warum?«
    »Nun, in dem Lied geht es um Kampf und Ehre; den Soldaten gefiele das. Und es ist so gut bekannt, daß jeder mitsingen kann. Außerdem hat es einen schönen Refrain.«
    »Gut gemacht! Aren sang das Lied viele Male aus eben diesen Gründen. Nun stelle dir vor, du wärest ein Minnesänger im Festsaal eines Fürsten und du sängest für fette Barone und deren Damen.«
    »Vielleicht ›Lilia und die Rose‹? Daran ist nichts anstößig.«
    Lachend beugte sich Seregil vor und klopfte Alec auf die Schulter. »Vielleicht sollte Aren bei dir in die Lehre gehen! Ich nehme an, du spielst kein Instrument?«
    »Leider nicht.«
    »Nun gut. Aren wird erklären müssen, daß du noch Anfänger bist.«
    Den Nachmittag verbrachten sie damit, Alecs Repertoire zu erweitern, während sie weiterritten.
     
    Am späten Nachmittag erreichten sie das rauhe, hügelige Tal des Brythwin-Flusses. In der Ferne konnten sie die schachbrettartig angelegten, brachliegenden Felder sehen und die Höfe, die die Grenze zum Boldesoke-Distrikt bildeten. Der Fluß selbst erschien ihnen als von Bäumen gesäumtes, schwarzes Band in der Tiefe, das in den Schwarzwassersee mündete, der einige Meilen östlich der Hafenstadt lag. Das nördliche Ufer des Sees, der sich bis hin zum Horizont streckte, bildete der große Seewald.
    »Du hast gesagt, der Gathwayd-Ozean sei noch größer?« fragte Alec, der die Augen mit der Hand beschattete und auf die riesige Wasserfläche blickte. Sein ganzes Leben lang hatte er an den Ufern des Sees gejagt und konnte sich keine größere Wasserfläche vorstellen.
    »Sehr viel größer«, erwiderte Seregil gut gelaunt. »Laß uns weiterziehen, ehe es dunkel wird.«
    Die Sonne des späten Nachmittags warf einen milden Schein auf das Tal.
    Sie stiegen über den steinigen Hang ab und gelangten auf die Hauptstraße, die am Fluß entlang nach Wolde führte. Der Brythwin führte wenig Wasser, und viele Kiesbänke waren zu sehen. An den Ufern wuchsen dichtgedrängt Weiden und Eschen und versperrten an vielen Stellen den Blick auf den Fluß.
    Etwa eine Meile entfernt vom See machte die Straße eine Biegung um ein dichtes Wäldchen. Seregil zügelte sein Pferd und betrachtete eine Weile das dichte Astwerk, dann stieg er ab und bedeutete Alec, ihm zu folgen.
    Kahle Weidenzweige streiften über ihre Köpfe und verfingen sich in ihren Gewändern und im

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