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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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›solange die Tochter Thelátimos’ regiert‹ an Stelle von: ›eine Tochter aus dem Geschlecht Thelátimos‹. Pech für ihn war, daß es im zweiten Jahr seiner Regentschaft eine gravierende Mißernte gab und kurz darauf die Pest ausbrach. Er starb wie Hunderte anderer. Nachdem seine Nichte Agnalain den Thron bestieg, besserten sich die Zustände sogleich.«
    »Was aber geschieht, wenn eine Königin keine Töchter hat?«
    »Das ist während der vergangenen achthundert Jahre hin und wieder vorgekommen. Königin Marnnil war die erste. Sie hatte sechs prächtige Söhne, aber keine Thronfolgerin. Sie nahm die beschwerliche Reise auf sich und befragte das Orakel von Afra. Dort erhielt sie die Weisung, sich einen anderen Gatten zu wählen, und zwar einen mutigen Mann von Ehre.«
    »Was geschah mit ihrem Gatten?«
    »Das erwies sich als problematisch, denn das Orakel drückte sich nicht klar aus. Seither haben einige Königinnen die Direktive auf ihre Art ausgelegt. Manche verliehen dieses Amt sogar als Belohnung.«
    »Wie kann denn eine Königin legitime Erben hervorbringen, wenn sie sich mit jedem Mann niederlegt, der ihr gefällt?« rief Alec aus und wirkte dabei entrüstet.
    »Was bedeutet denn legitim?« sagte Seregil lachend. »Ein König kann zum Hahnrei gemacht werden, seine Königin kann ihm jedes Kind eines Liebhabers als das seine unterschieben, das ist nicht sonderlich schwierig. Aber das Kind, das die Königin trägt, ist das ihre, unabhängig vom Vater, folglich ist es ein legitimer Erbe.«
    »Das wird wohl so sein«, gab Alec widerwillig zu. »Gab es auch schlechte Königinnen?«
    »Nun, ob sie nun ihr Amt durch göttliche Berufung ausübten oder nicht, sie blieben Menschen.«
    Alec schüttelte lachend den Kopf. »All die vielen Geschichten und Begebenheiten. Wie kannst du dir das alles merken?«
    »Das ist wichtig, wenn man mit den skalasischen Adligen zu tun hat, man wird danach beurteilt, welchem Zweig man angehört und wie weit zurück man dieses edle Blut nachweisen kann, von welchem königlichen Gefährten man abstammt, ob der Vorfahr direkt einer weiblichen Linie entstammt oder einer männlichen – ich könnte noch viel darüber erzählen, aber du verstehst gewiß auch so, was ich meine.«
    Er setzte seine Tasse ab und streckte sich. »Und nun sollten wir uns zu Bett begeben. Ich werde mich morgen wohl unserem Kapitän widmen müssen, und du mußt meine Ehre verteidigen!«

 
9
Die Lady fühlt sich nicht wohl
     
     
    Seregil erwachte kurz vor Sonnenaufgang mit einem erstickten Stöhnen. Er versuchte es zu unterdrücken, aber Alec hörte es dennoch und kam aus seinem Alkoven.
    »Was ist geschehen?« flüsterte der Junge und tappte im Dunklen durch die enge Kajüte.
    »Nichts, nur ein Traum.«
    Alecs Hand fand seine Schulter. »Du zitterst wie ein verängstigtes Pferd!«
    »Mach bitte Licht.« Seregil umklammerte seine Knie mit den Armen und versuchte das Zittern, das sich seiner bemächtigt hatte, zu unterdrücken.
    Alec zündete geschwind die Lampe an und betrachtete besorgt seinen Gefährten. »Du bist so blaß. Manchmal vertreibt man einen Alptraum, indem man ihn erzählt.«
    Seregil atmete ganz langsam aus und bedeutete Alec, sich den Stuhl ans Bett zu ziehen. Er hatte es offensichtlich nicht eilig, wieder einzuschlafen.
    »Es war Morgen«, begann er leise und starrte in die Kerzenflamme. »Ich war angezogen und wollte an Deck gehen. Ich rief dich, aber du warst nicht da, also ging ich alleine.
    Der Himmel war von gräßlich purpurner Farbe, und das Licht, das zwischen den Wolken hindurchdrang, wirkte kalt, wie Metall – du weißt schon, wie kurz vor einem schweren Gewitter. Das Schiff glich einem Wrack. Der Mast war gebrochen, das Segel hing über die Seite ins Wasser, und auf Deck lag alles wirr durcheinander. Ich rief wieder, aber niemand außer mir war noch an Bord. Der Fluß wälzte sich schwarz wie Öl. Alles mögliche trieb im Wasser um das Schiff – abgetrennte Köpfe, Hände, Arme, Körper …«
    Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Was ich vom Ufer erkennen konnte, war verwüstetes Land, alles verbrannt und zerstört. Rauch stieg auf von den verheerten Feldern und wallte über das Wasser, und als ich zusah, schien er sich zu sammeln und in großen Spiralen und Wogen auf das Schiff zuzutreiben. Als die Schwaden näher kamen, konnte ich Geräusche vernehmen. Zunächst wußte ich nicht, woher sie kamen, dann erkannte ich, daß sie überall um mich herum ertönten. Es

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