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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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aber wieder unter Kontrolle, als sich Rhal erholt hatte.
    »Ich hätte es nicht erwähnt, doch der jugendliche Überschwang macht es meinem lieben Vetter wohl schwer, dieses Geheimnis für sich zu behalten«, flüsterte Seregil und stellte den Becher ab. Edle mycenische Damen waren für ihre Sittsamkeit und Diskretion bekannt.
    Rhal war jedoch offensichtlich weitaus weniger beeindruckt, als Alec sich das vorgestellt hatte. Seregil konnte förmlich die Gedanken des Kapitäns lesen. Nun, wenn eine Frau bereits wohl bestellt und trotzdem noch hübsch anzusehen war, konnte man getrost ein wenig Spaß haben, was war schon daran …
    »Mylady, ich hatte keine Ahnung!« Dabei ergriff er ihre Hand und tätschelte sie.
    Der Koch trat ein und brachte ein Tablett mit zugedeckten Schalen. Rhal nahm eine und stellte sie vor sich auf den Tisch. »Es ist nur allzu verständlich, daß Euer Zustand euch manchmal Unwohlsein bereitet. Vielleicht wird Euch das Dessert mehr zusagen.«
    »Ja, vielleicht.« Mit erwartungsvollem Lächeln hob Seregil den Deckel seiner Schale, das Lächeln erstarrte, er wurde kreidebleich.
    Er blickte auf Augen, Ohren und Zungen, aus denen sich windende, widerliche weiße Maden quollen. Sein Magen rebellierte. Panikerfüllt ließ er den Deckel fallen und stürzte aus der Kajüte.
    »Mach dir keine Sorge, mein Junge!« hörte er Rhal noch sagen. »Das ist nicht ungewöhnlich in ihrem Zustand.«
    Als Seregil das Deck erreichte, beugte er sich kraftlos über die Reling und gab das Abendessen von sich, er nahm kaum wahr, daß Alec an seine Seite geeilt war.
    »Was ist denn los?« flüsterte der Junge besorgt, als Seregil fertig war.
    »Bring mich hinunter«, stöhnte Seregil. »Bring mich hinunter – jetzt!«
    Alec schleppte seinen Gefährten in die Kajüte, wo Seregil auf seiner Koje zusammensackte und das Gesicht in den Händen vergrub.
    »Was war denn los?« verlangte Alec besorgt zu wissen. »Soll ich beim Kapitän etwas Brandy holen?«
    Seregil schüttelte heftig den Kopf, dann blickte er Alec ins Gesicht. »Was hast du gesehen?«
    »Du bist hinausgerannt!«
    »Nein! In der Schale. Was hast du da gesehen?«
    »Du meinst den Nachtisch?« fragte Alec verwirrt. »Gebackene Äpfel.«
    Seregil wankte zum einzigen Bullauge der Kajüte, öffnete es und sog tief Luft ein. Furcht überkam ihn, alles in ihm drängte ihn, sich zu bewaffnen, auf der Hut zu sein, zu fliehen, irgendwohin. Der Schmerz in seinem Kopf war zurück, und der leere Magen verkrampfte sich.
    Er drehte sich Alec zu und flüsterte: »Ich habe etwas anderes gesehen. Die Schale war voll von dampfenden …« Er hielt inne, und fragte sich, warum ihn diese schreckliche, unerklärliche Furcht übermannt hatte. »Nun, es waren auf jeden Fall keine gebackenen Äpfel.«
    Sein ganzer Körper wurde vom Krampf erfaßt, und dann sackte er gegen die Wand.
    Besorgter als zuvor schleppte Alec ihn zur Koje und setzte ihn dort ab.
    Seregil kauerte sich in die Ecke und drückte das Gesicht gegen die Wand. Aber er war noch so weit Herr seiner Sinne, daß er Alec mit Lady Gwethelyns Entschuldigung zum Kapitän schickte und erklären ließ, daß sie in ihrem augenblicklichen Zustand den Geruch mancher Speisen nicht ertragen konnte.
     
    Als Alec zurückkehrte, schritt Seregil ruhelos durch die enge Kajüte.
    »Verriegle die Tür und hilf mir aus diesem verdammten Kleid!« zischte er, konnte aber kaum stillhalten, bis Alec die Bänder gelöst hatte. Als er endlich von dem Kleid befreit war, zog er sogleich seine lederne Hose unter dem Nachtgewand an, wickelte sich einen Umhang um die Schultern und kehrte in seine Ecke auf der Koje zurück. Sein Schwert hatte er zwischen der Matratze und der Wand hinter sich versteckt.
    »Komm her«, flüsterte er und bedeutete Alec, sich neben ihn zu setzen.
    Alec konnte fühlen, wie sich immer wieder ein Zittern seines Gefährten bemächtigte, außerdem schien Seregils Körper im Fieber zu brennen.
    Seregils Stimme jedoch war fest, auch wenn er sehr leise sprach.
    »Mit mir geschieht etwas, Alec. Ich bin mir nicht sicher, was es ist, aber du solltest Bescheid wissen, denn ich weiß nicht, wie es weitergehen wird.«
    Dann berichtete er Alec von seinem jüngsten Alptraum, und sprach über die unerklärliche Furcht, die sich zuvor seiner bemächtigt hatte.
    »Es ist entweder Zauberei oder Wahnsinn«, schloß er finster. »Ich bin mir nicht sicher, was schlimmer wäre. So etwas ist noch nie mit mir geschehen. Die – Dinge in der Schale

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