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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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so nervös.«
    »Es ist nichts«, brummte Seregil, aber diesmal war er sich sicher, auf der Straße hinter ihnen jemanden gesehen zu haben.
    Kurz darauf erreichten sie den Scheitelpunkt eines Hügels und hatten eine dalnasische Begräbnisgesellschaft vor sich. Einige gutangezogene Männer und Frauen und zwei kleine Kinder standen an der Straße, sangen und sahen einem jungen Bauern zu, der mit einem Ochsen inmitten eines leeren Feldes einen Pflug zog. Die harte Erde gab der Pflugschar unwillig nach, und große gefrorene Erdschollen hoben sich. Eine alte Frau folgte dem Bauern und verteilte Asche, die sie mit der Hand aus einer hölzernen Schale nahm, in die neu gezogene Furche.
    Als die Schale leer war, nahm sie eine Handvoll Erde und wischte sie sorgfältig damit aus, dann schüttete sie alles auf den Boden. Der Bauer wendete den Ochsen und pflügte dieselbe Furche noch einmal. Leichter Schneefall setzte ein, als Alec und Seregil in ihrem Karren vorüberholperten.
    »So ist es auch im Norden«, stellte Alec fest.
    Seregil blickte gleichgültig zurück.
    »Ich meine, wie sie die Asche der Toten in die Erde zurückpflügen. Und das Lied, das sie sangen, war auch dasselbe.«
    »Ich habe nicht darauf geachtet. Was war es?«
    Ermutigt durch das Interesse, das sein Gefährte zeigte, sang Alec:
     
    »Von dir kommt alles, o Dalna, Schöpfer und Spender.
    Im Tod geben wir zurück und werden eins mit deiner herrlichen Schöpfung.
    Nimm die Toten auf in der fruchtbaren Erde, daß neues Leben aus der Asche wächst.
    Beim Pflanzen und Ernten wird der Toten gedacht.
    Nichts ist verloren in der Hand des Schöpfers.
    Nichts ist verloren in der Hand des Schöpfers.«
     
    Seregil nickte. »Ich hörte, daß …«
    Plötzlich hielt er inne und zerrte an den Zügeln. »Bei den Vieren, Sieh!« keuchte er und starrte mit wildem Blick über die Felder zu ihrer linken. Eine hochgewachsene, schwarzgewandete Gestalt stand dort, kaum hundert Schritt von der Straße entfernt.
    »Wo? Was ist denn dort?«
    »Sieh doch!« zischte Seregil.
    Selbst über Bogenschußdistanz hinweg, erkannte Seregil wie verzerrt die Proportionen dieser Gestalt schienen. Das machte ihm mehr zu schaffen als die Tatsache, daß Alec sie offensichtlich nicht sehen konnte.
    »Wer bist du?« zischte Seregil.
    Die düstere Gestalt musterte ihn schweigend, dann verbeugte sie sich tief und begann einen grotesken Tanz. Sie sprang und hüpfte auf eine Weise, die Seregil unter anderen Umständen lächerlich erschienen wäre. Doch nun fühlte er, wie sein Körper taub wurde während dieser Darbietung, die einem Alptraum zu entstammen schien.
    Schauernd blickte er Alec an. »Bring uns weg hier!«
    Alec ließ ohne zu fragen die Peitsche knallen.
    Als Seregil sich umblickte, war die Schreckgestalt verschwunden.
    »Was war denn geschehen?« wollte Alec wissen und hob die Stimme, damit sie über das Rumpeln des Karren hinweg zu hören war.
    Zitternd klammerte sich Seregil an seinen Sitz und schwieg. Als er etwas später hochblickte, sah er die Gestalt, die nun auf der Straße vor ihnen ging. Auf diese Entfernung konnte er erkennen, daß sie wesentlich größer war als ein Mensch. Auch schien der Abstand zwischen Schultern und Kopf zu groß und zwischen Schultern und Hüften zu gering, was die Arme äußerst lang erscheinen ließ. Die Bewegungen wirkten plump, aber kraftvoll. Es blickte über eine der gebeugten Schultern hinweg und winkte Seregil zu, als wolle es ihm bedeuten, sich zu beeilen, zu irgendeinem Ziel zu gelangen.
    »Sieh, dort!« schrie Seregil und packte Alec unwillkürlich am Arm. »Es ist zurück. Bei Bilairy, du mußt es doch sehen!«
    »Ich sehe gar nichts!« erwiderte Alec verstört.
    Gereizt ließ Seregil ihn los. »Bist du blind? Es ist so groß wie …«
    Aber noch während er nach Worten rang, winkte die Erscheinung und verschwand. Eiskalte Furcht packte Seregil.
    Während des ganzen bleigrauen Nachmittags spielte sein finsterer Foltermeister Verstecken mit ihm. Zunächst erblickte Seregil ihn weit entfernt inmitten eines Feldes, wo er wieder wilde Tänze vollführte. Einen Herzschlag später erschien er neben dem Karren, nahe genug, daß Seregil ihn hätte berühren können.
    Ein Trupp mycenischer Soldaten ritt vorbei, und die Gestalt schritt unbemerkt in ihrer Mitte; wenig später saß sie auf einem Bauernkarren, der in entgegengesetzter Richtung fuhr.
    Alec konnte es offensichtlich nicht sehen, deshalb machte Seregil ihn nicht mehr darauf aufmerksam; was auch

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