Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
wurde sichtbar.
»Was ist das?« fragte Alec und schob die Holzscheibe beiseite, um ihn besser sehen zu können.
Finger aus Eis legten sich um Seregils Herz. Von einer unvermittelten Wut ergriffen, packte er Alec am Handgelenk und riß ihn grob fort. »Behalte deine Hände bei dir«, knurrte er.
Er zog sich den Umhang eng um die Schultern und drückte sich in die hinterste Ecke seiner Koje. »Geh zu Bett. Jetzt!«
Später in der Nacht, als Alec in seinem Alkoven lag, hörte er, wie Seregil sich bewegte.
»Alec, bist du wach?«
»Ja.«
Es folgte eine lange Pause, dann sagte er: »Es tut mir leid.«
»Ich weiß.« Alec hatte sich bereits einen Plan zurechtgelegt. »Micum erzählte mir, daß du in Rhíminee einen Zauberer kennst. Meinst du, er kann dir helfen?«
»Wenn nicht er, dann wüßte ich niemanden mehr sonst.« Seregil verstummte wieder. Alec hörte schließlich ein leises Lachen, das ihm jedoch gar nicht gefiel, ihm stellten sich die Haare im Nacken auf.
»Alec?«
»Ja?«
»Sei vorsichtig. Heute nacht zum Beispiel …«
Alec packte den Griff des Schwertes, das über den Knien ruhte. »Es ist schon gut. Schlaf jetzt weiter.«
Der letzte Tag an Bord der Pfeil zog sich in die Länge. Seregil verbrachte den Morgen damit, verdrießlich aus dem Bullauge zu starren.
Alec hielt respektvollen Abstand und hing weiter seinem Plan nach. Am Nachmittag fühlte er sich gewappnet, Rhals Mißfallen zu ertragen.
Er setzte sich hinter das Galion und zog zum Schutz gegen den Wind die Kapuze über den Kopf. Als sie kurz vor Sonnenuntergang Torburn erreichten, hatte er bereits mit dem Steuermann und einigen anderen Mitgliedern der Besatzung gesprochen, ohne daß ihr Kapitän es gemerkt hatte. Wenn es an ihm liegen sollte, sie beide nach Rhíminee zu bringen, dann mußte er auch wissen, wie er dorthin kam.
Sehr zu Rhals Erleichterung kam die Lady Gwethelyn nicht an Deck, ehe das Schiff in Torburn angelegt hatte. Die Geschichte des Ersten Maats hatte bereits die Runde gemacht und sowohl das Schweigen der Dame als auch das plötzlich so kühle Auftreten des Kapitäns ihr gegenüber erklärt. Die Männer stießen sich an, und verstohlene Blicke wurden ausgetauscht, als sie schließlich an Deck kam, um das Schiff zu verlassen.
Keiner jedoch bemerkte, daß die Lady auf der Gangway Rhal heimlich einen kleinen Gegenstand in die Hand drückte. Er öffnete das kleine Seidentuch nachts in seiner Kabine und betrachtete den Granatring, den sein merkwürdiger Passagier getragen hatte.
»Das ist schon ein seltsamer Bursche«, murmelte er zu sich selbst. Nachdenklich schüttelte er den Kopf und verwahrte den Ring an einem sicheren Platz.
11
Der düstere Verfolger
Der Karren rumpelte über die ausgefahrene Straße durch die hügelige mycenische Landschaft. Seregil saß in seinen Umhang gehüllt neben Alec auf der kleinen rauhen Bank. Es war hier noch nicht so kalt wie im Norden, jedoch schien ihm die Kälte bereits in den Gliedern zu sitzen.
Wenn er sich sehr ruhig verhielt, konnte er am klarsten denken, und so gelang es ihm auch, den tobenden Kopfschmerz und die so häufigen Stimmungswechsel am besten zu kontrollieren. Trotzdem strengte es ihn sehr an. In den seltenen Momenten, in denen er seine Umwelt wahrnahm, konnte er beruhigt feststellen, daß Alec seine Aufgabe außerordentlich gut machte. Allerdings war er stets aufs neue darüber verblüfft, daß der Junge, sich noch nicht davongestohlen hatte, obwohl er wirklich genug Grund dazu hatte.
Nachdem sie in Torburn von Bord gegangen waren, hatten sie ein winziges Zimmer nahe am Fluß genommen und dort auch die Kleider der Lady und des Junkers wieder mit ihren eigenen schmutzigen Reisegewändern getauscht.
In dieser Nacht berichtete Alec ausführlich über seinen Plan.
»Du bist krank«, waren seine Worte gewesen. »Da du der Meinung bist, nur Nysander könne dir helfen, werden wir uns bis Rhíminee durchschlagen.«
Seregil nickte.
Alec holte tief Luft und fuhr fort. »Nun gut. Man sagte mir, der schnellste Weg sei es, über Land nach Keston zu reisen und von dort ein Schiff zu nehmen, das durch den Kanal bei Cirna fährt. Ich kenne keinen dieser Orte und weiß auch nicht, wo sie liegen. Du kannst mir helfen, oder aber ich werde mich durchfragen, und das habe ich auch vor.«
Seregil setzte an, seinen Schwertgurt umzulegen, dann zögerte er jedoch und gab ihn statt dessen an Alec weiter. »Es ist sicher besser, du nimmst dies alles hier an dich.«
Er
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