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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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sich. Es schien, als fülle es den ganzen Raum.
    Seregil wollte wieder schreien, aber kein Laut kam ihm über die Lippen.
    »Er kann dir jetzt nicht helfen.« Das Ding verströmte Eiseskälte und gräßlichen Gestank.
    »Wer bist du?« Seregils Flüstern kam krächzend aus seiner trockenen Kehle.
    Die Erscheinung machte einen Schritt vorwärts und stand nun nur noch halb soweit von ihm entfernt wie zuvor. »Du hast mir eine gute Jagd bereitet«, erwiderte sie mit leiser, klagender Stimme. »Aber es gibt kein Entrinnen, keine Gnade für solche wie dich.«
    Seregil drückte sich gegen die Wand, sein Blick suchte verzweifelt nach der Deckung, die es für ihn nicht gab. »Was willst du?«
    »Das weißt du nicht? Wie schade, daß du so unwissend sterben mußt. Aber es bedeutet uns nichts. Du bist ein Dieb, und wir wollen uns wiederholen, was du genommen hast. Du kannst uns nicht länger entwischen.«
    »Sag mir, was es ist!« Ärger und Verzweiflung verliehen seiner Furcht einen Hauch von Mut.
    Das Wesen streckte die Arme aus, und eine neue Wolke Begräbnisluft erfüllte den Raum.
    Er würde sterben; der Gedanke, nicht zu wissen, warum, war ihm unerträglich.
    Die Gestalt lachte wieder, als sie nach ihm griff, der Klang dieses Lachens zerrte an den letzten Wurzeln seiner geistigen Unversehrtheit.
    »Nein!« knurrte Seregil und stürzte sich auf die Gestalt.
    Einen Lidschlag lang schien er etwas zu greifen, dann schlug er gegen die Wand. Als er herumwirbelte, sah er die Gestalt an der Tür stehen.
    Nun bemächtigte sich seiner wieder die Blutlust, und diesmal genoß er das Gefühl. Er hieß den Schmerz willkommen, empfand den Wahnsinn als Lust, als er sich gegen das Gezücht aus der Finsternis warf. Die Nachtkerze fiel um, aber auch im Dunkeln bekämpfte er seinen Peiniger mit bloßen Händen, und er fühlte, wie er ihm stets aufs neue entglitt.
    Schließlich bekamen seine Finger etwas zu fassen. Die Gestalt nahm Masse an, und er grub seine Nägel hinein, suchte mit den Händen die Kehle. Es spielte mit ihm, wehrte ihn ab, ohne den Angriff zu erwidern.
    Das Spiel dauerte jedoch nicht lange. Gewaltige Krallen gruben sich unvermittelt in seine Brust, und die Welt entlud sich in einem Feuerwerk aus Schmerz, bis gnädige Dunkelheit ihn umfing.
     
    Alec lag halb erwürgt auf dem kalten Boden neben Seregil. In der Dunkelheit konnte er nicht erkennen, was mit seiner Hand geschehen war, aber sie schmerzte höllisch.
    »Was ist dort oben los?« rief der Wirt wütend die Treppe hinauf.
    »Bring eine Lampe. Beeile dich!« stöhnte Alec und versuchte, auf die Knie zu kommen.
    Der Wirt erschien an der Tür, eine Kerze in der einen Hand, in der anderen eine Keule. »Das klingt, als wäre jemand ermordet worden …«
    Er erstarrte, als sein Licht auf die beiden fiel. Seregil lag bewegungslos am Boden Hemd, Brust und Kehle waren blutverschmiert. Alec wurde bewußt, daß er vermutlich nicht wesentlich besser aussah. Aus seiner Nase tropfte Blut, Seregil hatte ihn hart getroffen, auch Gesicht und Hals waren schlimm zerkratzt. Er drückte die linke Hand an die Brust und sah eine rote, runde Brandwunde auf der Handfläche.
    »Halte das Licht tiefer«, wies er den Wirt an. Er beugte sich über Seregil und versicherte sich, daß sein Freund atmete, dann schob er das Hemd beiseite und schnappte vor Entsetzen nach Luft.
    Zum letztenmal hatte er an Bord der Pfeil die rote Stelle auf Seregils Brust gesehen. Nun sah er dort eine blutende Wunde. Er hielt seine Hand mit der pochenden Stelle gegen das Licht und erkannte, daß seine Verbrennung und Seregils Wunde genau gleich groß waren und dieselbe Form hatten.
    Neben Seregil auf dem Boden lag die Holzscheibe, der wertlose Kram, den sie aus dem Haus des Bürgermeisters mitgenommen hatten, weil niemand ihn vermissen würde. Er hob es vorsichtig am Lederband hoch und verglich es mit der seltsamen Brandwunde in seiner Handfläche und auf Seregils Brust.
    Es paßte genau zusammen. Er betrachtete es genauer und konnte sogar den Abdruck der kleinen, eckigen Öffnung in der Mitte erkennen.
    Wir hatten es die ganze Zeit vor Augen! Dachte er verzweifelt. Warum ist es ihm nicht aufgefallen? Warum habe ich es übersehen?
    Die Geräusche, die aus Seregils Zimmer drangen, hatten ihn geweckt, und er war gegangen, um zu sehen, was vor sich ging. Die Lampe hatte er in der Eile vergessen, und er fluchte bei dem Versuch, den Schlüssel in Seregils Zimmertür zu stecken. Es war dunkel im Flur und im Raum dahinter

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