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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Teil des rätselhaften Musters sehen und den Abdruck des quadratischen Loches in der Mitte.
    Das Licht des späten Nachmittags fiel durch die Kuppel des Turmes, als sie die letzte Reinigungszeremonie abgeschlossen hatten. Nur noch wenige der roten Funken sprangen hoch unter den Tropfen des Tannenzweiges. Schließlich versiegten auch sie. Seregil wurde ruhig, sein Atmen zu einem sanften, beständigen Stöhnen. Nysander nahm sein Elfenbeinmesser und durchstach vorsichtig die Haut an Seregils Kehle, wo der Pulsschlag zu sehen war. Ein Tropfen hellen Blutes quoll hervor, nichts sonst.
    Er hielt den Zauberstab hoch und durchbrach den blauen Kreidekreis an der Decke, dann bückte er sich und kratzte über den Kreis auf dem Boden. Als er sich aufrichtete, massierte er mit der Hand seinen Nacken.
    »Er ist gereinigt.«
    »Wird er nun wieder gesund?« fragte Alec, denn er konnte keine große Veränderung feststellen.
    Mit einem Lächeln voller Zuneigung strich Nysander Seregils feuchtes Haar aus der Stirn. »Ja. Sonst hätte er das Ritual nicht überlebt.«
    »Ihr meint, er hätte daran sterben können?« keuchte Alec und mußte sich am Tisch abstützen.
    Nysander legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihn ernst an. »Anderenfalls wäre er gewiß gestorben, und vielleicht wäre ihm Schlimmeres widerfahren als der Tod. Ich sagte es dir nicht, denn ich wollte dich nicht ablenken.«
    »Soll ich nun nach Valerius schicken?« fragte Thero.
    »Bitte tue das. Du wirst ihn vermutlich im Atrium finden.«
    »Wer ist Valerius?« wollte Alec wissen.
    »Ein Drysier. Auch Seregils Körper bedarf der Heilung.«
    Das konnte Alec verstehen. Er begann, die Abfälle der Zeremonie fortzuräumen. Vorsichtig hob er einige der schwarzen Schalen auf und fand, daß sie sich sogar wie tote Spinnen anfühlten.
    »Was sind das für Dinger?« fragte er voller Abscheu.
    »Eine körperliche Manifestation des Bösen, das durch die Scheibe in ihn drang«, erwiderte Nysander und ließ eine Handvoll durch seine Finger gleiten. »Es ist außerordentlich schwierig, etwas zu bekämpfen, das substanzlos ist. Durch die Zeremonie gelang es mir, das Böse Stück für Stück aus Seregils Körper zu ziehen, indem ich kleinen Mengen nach und nach Substanz verlieh. Erst dann konnte ich es mit Magie auflösen. Diese Asche ist nicht mehr als das Überbleibsel der temporären körperlichen Form, die ich ihm gegeben hatte.«
    »Ist das schwierig?«
    »Eher anstrengend als schwierig. Aber du mußt gewiß erschöpft sein vom Ringen mit deinem armen Freund. Kannst du dir vorstellen, wie sich ein alter Knabe von über drei Jahrhunderten fühlen muß?«
    Alec riß die Augen auf. »Micum sagte, daß Ihr der älteste der Zauberer wärt, aber ich konnte mir nicht vorstellen …«
    »Ich bin gewiß nicht der älteste, mein Junge, lediglich der älteste im Orëska-Haus«, verbesserte Nysander. »Ich kenne einige, die noch wesentlich älter sind als ich. Was Magier betrifft, befinde ich mich in den besten Jahren. Mach bitte aus mir keine Antiquität!«
    Alec wollte eine Entschuldigung stammeln, aber Nysander lachte nur und fuhr ihm durchs Haar. »Wenn Micum von mir sprach, dann hat er dir gewiß auch gesagt, daß du von mir nichts zu befürchten hast. Sag ehrlich, was du denkst, das ist mir das liebste.«
    »Es ist alles noch so fremd für mich«, gestand Alec.
    »Das überrascht mich nicht. Sobald Seregil versorgt ist, müssen wir uns in aller Ruhe unterhalten.«
    Alec machte sich daran, weiter aufzuräumen, und er fragte sich, worüber er mit einem Magier reden konnte, selbst mit einem Magier, der so freundlich war wie Nysander. Bald wurde er jedoch aus seinen Gedanken gerissen, als jemand das Vorzimmer betrat.
    »Was hat der Lümmel jetzt wieder angestellt?« polterte der Neuankömmling.
    Die kräftige Stimme gehörte einem wild aussehenden Mann in grober Kleidung. Als er das Zimmer betrat, brachte er den Duft frischer Luft, von Lagerfeuer und von frisch gesammelten Kräutern mit sich. Thero folgte ihm mit mißbilligendem Blick auf dem Fuße.
    »Valerius, alter Freund!« grüßte Nysander freundschaftlich. »Es trifft sich vorzüglich, daß du dich heute in Rhíminee aufhältst. Die Magie hat ihre Wirkung getan, aber sein Körper bedarf nun der Heilung.«
    Valerius ließ seinen abgenutzten Lederbeutel auf den Tisch fallen und warf einen finsteren Blick auf Seregil.
     
    Das schwarze Haar des Drysiers drängte in ungebändigten Strähnen unter der Krempe seines schäbigen,

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