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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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sich an der Blechdachrinne fest, mit der anderen umfaßte er das Messer, wirbelte jäh herum und ließ den Blick prüfend über das steile Dach schweifen.
    Unmittelbar neben dem Kamin sah er den schwarzen Umriß eines Kopfes über dem Giebel auftauchen.
    Beunruhigend leise kam immer mehr von der Gestalt zum Vorschein.
    Irgend etwas an dem Kerl ist seltsam, war Tyms erster Gedanke.
    Mittlerweile stand der Schemen in voller Größe auf dem Dach, ein langer, schwarzer Fleck vor dem sternenübersäten Himmel. Er wirkte ungewöhnlich groß, zudem bewegte er sich auf höchst eigenartige Weise. Zwar haftete der Gestalt nicht das linkische Gebaren eines Krüppels an – und was hätte ein Krüppel auch hier oben verloren? –, aber die Schultern der Silhouette wirkten merkwürdig verzerrt, der Leib über den Beinen unnatürlich gekrümmt …
    Unvermittelt riß der Schatten den Kopf in Tyms Richtung herum. Obwohl der Dieb nach wie vor lediglich die Umrisse des Fremden erkennen konnte, wußte er instinktiv, daß er entdeckt worden war.
    Die Gestalt beugte sich vor, als wollte sie eine lächerlich anmutende, tiefe Verneigung vor Tym vollführen. Doch damit endete die Bewegung nicht, und mit einem Schlag fühlte sich Tyms Mund staubtrocken an.
    Die Arme immer noch an der Seite, beugte sich der Schatten irgendwie tiefer und tiefer, bis der unter einer Kapuze verborgene Kopf die Schindeln unterhalb seiner Füße berührte. Abwärts wand er sich, immer weiter, wie eine Schlange – Brust, Bauch, Beine, allesamt in gräßlich verzerrtem Winkel. Und gleich einem riesigen, abscheulichen Aal begann der lange, schwarze Schemen, auf den Dieb zuzukriechen.
    Eine Kälte, die in keinerlei Verbindung mit dem Wetter stand, ergriff Besitz von Tym und erfüllte seine Glieder mit einem betäubenden Schmerz, der seine Hände steif und nutzlos wie die eines Greises werden ließ. Dennoch ahnte er erst, als ihn der widerliche Gestank wie ein Schlag ins Gesicht traf, welcher Alptraum auf ihn zusteuerte.
    Zum ersten Mal in seinem harten, rauhen Leben kreischte Tym, aber der schändliche Laut drang lediglich als schwaches, vergebliches Krächzen aus seiner Kehle.
    Wenige Zoll von der Stelle entfernt, an der er kauerte, hielt das Wesen inne und richtete sich wieder auf.
     
    Tyms Instinkte besiegen das lähmende Entsetzen. Obwohl er das Messer kaum fühlt, daß er mit der Faust umklammert, springt er auf, sticht auf die Erscheinung ein und spürt, wie seine Hand durch eine kalte Leere fährt, wo sich eigentlich die Brust des Geschöpfes befinden sollte. Durch den Angriff gerät er auf den rutschigen Schindeln aus dem Gleichgewicht und kauert sich wieder hin, um nicht zu stürzen.
    Einen Augenblick verharrt das schwarze Ding reglos und verströmt seinen frostigen Moder. Dann lacht es – ein gedämpfter, blubbernder Laut, bei dem Tym an verwesende, aufgedunsene Leichen denken muß, die in fauligem Wasser treiben.
    Das gräßliche Wesen hebt die langen, unnatürlichen Arme und holt zu einem mächtigen Hieb aus.
    Aber es schlägt nicht zu.
    Es schiebt.
     
    Skut, der pflichtbewußt im Schatten der Gasse Wache hielt, sah eine dunkle Gestalt vom Dach stürzen. Mit dumpfem Poltern schlug der vornüber herabfallende Mann auf der kopfsteingepflasterten Straße auf.
    Skut erstarrte und wartete auf einen Schrei. Als dieser ausblieb, schlich er auf den Körper zu und spähte im schwindenden Mondlicht darauf hinunter.
    Tym war eindeutig tot. Sein Kopf war auf gräßliche Weise zerborsten, die Brust eingedrückt wie ein verdellter Korb.
    Eine Weile starrte Skut ungläubig auf den Dieb, dann brach er in Tränen der Verzweiflung aus. Der Mistkerl hatte ihn noch nicht bezahlt!
    Tym hatte weder einen Geldbeutel noch Wertgegenstände bei sich. Sogar das lange Messer befand sich nicht in der Scheide.
    Skut wischte sich mit dem Ärmel die Nase ab, versetzte dem Leichnam einen letzten, wütenden Tritt und verschwand in der Nacht.

 
21
Verräterisches Blut
     
     
    Rastlos lief Vargûl Ashnazai in Rythels winziger Kammer auf und ab, während der Schmied Mardus Bericht erstattete. Ungeachtet des überheblichen Gebarens des Mannes hatte seine laienhafte Schnüffelei bislang zu wenigen bedeutsamen Ergebnissen geführt. Die Sabotage der Abwasserkanäle aber hatte er ausgezeichnet abgewickelt, und, was noch wichtiger war, er hatte eine Karte der Kloake unterhalb des westlichen Bezirkes der Stadt erstellt. Nun lag sie vor Mardus, der sie einer letzten, peinlich genauen

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