Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Trotzdem finde ich es beunruhigend, daß die beiden um Rythel herumschnüffeln.«
»Im Gegenteil, in meinen Augen hat Seriamaius da seine Hand im Spiel«, widersprach Mardus. »Offenbar gleicht unsere Reise einem langen, spiralförmigen Pfad, der sich nun rasch und immer enger um unsere Beute schließt. Vielleicht hattest du doch recht damit, daß diese Diebe eine gewisse Bedeutung haben, Vargûl Ashnazai. Es muß sich ein höherer Sinn dahinter verbergen, daß sie unseren Weg schon sooft gekreuzt haben. Jetzt heißt es nur noch, Ruhe zu bewahren, bis die anderen eintreffen. In der Zwischenzeit sollten wir uns um Meister Rythel kümmern. Sei so gut und sorg für etwas Unauffälliges, ja?«
Als sie sich dem Markt näherten, zügelte Mardus sein Roß. »Ich treffe mich mit unserer neuen Freundin Ylinestra. Es wird nicht lange dauern.«
»Hervorragend, Herr. Ich schaue währenddessen in der Herberge bei Tildus und den anderen vorbei.«
Nachdem Mardus sich von dem Totenbeschwörer getrennt hatte, lenkte er das Pferd in eine Seitenstraße. Während er diese entlangritt, betrachtete er ein kunstvoll gearbeitetes Paar Blechhähne, das den Eingang zu einer entsprechend benannten Herberge zierte. Seit seiner Ankunft in Rhíminee war er bereits mehrmals durch die Blaufischstraße gekommen, und die beiden Figuren, von deren erhobenen Klauen je eine Laterne hing, waren ihm schon des öfteren ins Auge gesprungen.
22
Alter Kummer
Das Losungswort der Wächter brachte sie an den Wachen desselben Torpostens vorbei, den Alec vor ein paar Monaten als Zuflucht benutzt hatte. Danach überquerten sie das Palastgelände und stiegen an einem Lieferanteneingang in der Nähe der Ringmauer des Palastes von den Pferden ab.
»Ich habe schon befürchtet, ihr würdet nicht kommen«, meinte Nysander und scheuchte sie hastig hinein. Als er sich umdrehte, um die Tür hinter sich zu schließen, bemerkte Alec, daß unter dem schlichten Mantel des Zauberers der Saum einer aufwendig bestickten Robe hervorlugte.
»Wir waren gerade mitten bei der Arbeit«, erklärte Seregil.
»Das dachte ich mir, aber ich hatte keine Wahl. Kommt, die Zeit ist knapp.«
Nysander wob ein flüchtiges Zeichen in die Luft über ihren Köpfen, dann führte er sie schweigend einen Bedienstetenflur entlang. Sie waren noch nicht weit gegangen, als vor ihnen eine mit Leinentüchern beladene Zofe um eine Ecke bog. Als sie an ihnen vorbeilief, schaute sie Alec unmittelbar ins Gesicht, ließ jedoch in keiner Weise erkennen, daß sie ihn gesehen hatte.
Magie? deutete Alec fragend.
Seregil antwortete mit einem ungeduldigen Nicken.
Ich hoffe, ich muß hier nicht allein wieder rausfinden, dachte Alec, während Nysander sie über Treppen, durch weitere Gänge und immer prunkvollere Säle führte. Nach einer letzten, gewundenen Treppe gelangten sie an eine verschlossene Tür. Nysander zog einen Schlüssel aus dem Ärmel und ließ sie in eine lange, schwach beleuchtete Galerie eintreten.
Über die rechte Seite des Raumes erstreckte sich eine mit Laubsägeholzleisten abgeschirmte Zierbalustrade. Durch die Öffnungen strömte Licht herauf und warf ein Netzmuster an die Decke.
Nysander hob den Zeigefinger an die Lippen und führte sie zu einer der Leisten. Alec beugte sich dicht zu der Abschirmung und schaute in einen hell erleuchteten Audienzsaal hinab.
Zwar hatte er Königin Idrilain erst einmal gesehen, dennoch erkannte er sie auf den ersten Blick in der kleinen Gruppe, die sich um einen Weintisch in der Mitte des Saales versammelt hatte. Zu ihrer Linken saß Phoria mit mehreren anderen Leuten in skalanischem Hofstaat. Zu Idrilains Rechten befanden sich ein Mann und zwei Frauen in einer Tracht, die ihm noch nie untergekommen war.
Alle drei trugen Kittel aus weicher, weißer Wolle, von der sich lediglich an den Gürteln schimmernde, polierte Juwelen, Halsketten und breite Silberarmreife abhoben. Zweien von ihnen, dem Mann und der jüngeren Frau, hing das lange, dunkle Haar unter aufwendig gefalteten Kopftüchern lose über die Schultern. Die ältere Frau hatte silbrigweißes Haar, und auf ihrer Stirn prangte ein Silberreif, der mit einem großen Rubin inmitten eines Runds klingenförmiger Goldblätter besetzt war.
Neugierig drehte sich Alec zu Seregil um, doch sein Freund preßte das Gesicht starr an die Leisten; seine Züge glichen einer schmerzverzerrten, lichtgetupften Maske.
Was sieht er denn bloß? fragte sich Alec erschrocken und schaute abermals zu den
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