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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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erzählen.«
    Ungeduldig wartete Ashnazai, während der Schmied beschrieb, wie er dem vermeintlichen Ahnungslosen Honig ums Maul geschmiert und welche Auskünfte er ihm entlockt hatte. Den Jungen erwähnte er in seinem Bericht mit keinem Wort.
    Ashnazai stand hinter dem Schmied, gab Mardus ein Zeichen, deutete auf das Fenster und hob bedeutungsvoll das Fläschchen. Sein Meister nickte kaum merklich, verriet jedoch keine Regung.
     
    »Du hast all unsere Erwartungen übertroffen«, sagte Mardus zu Rythel und reichte ihm als Lohn für die Karte der Kloake eine schwere Börse sowie ein Päckchen der manipulierten Gitterbolzen. »Bei der Karte hast du hervorragende Arbeit geleistet, und ich glaube, ich kann eine zusätzliche Belohnung für dich herausschlagen, sobald du in den Tunneln fertig bist.«
    »Noch eine Woche, dann ist alles erledigt«, versicherte ihm der Schmied, dessen Augen vor Gier leuchteten. »Wenn ich sonst noch etwas für Euch tun kann, braucht Ihr es nur zu sagen.«
    »Oh, das werde ich, verlaß dich darauf«, gab Mardus lächelnd zurück.
    Im Schutze von Ashnazais Zauber bahnten er und der Totenbeschwörer sich ungesehen und ungehört einen Weg durch die vor Menschen wimmelnden Zimmer und Treppen des Hauses hinunter in den Hof.
    Der Leichnam des Diebes lag noch unverändert auf der Straße, verrenkt wie die weggeworfene Puppe eines Kindes.
    Mit der Stiefelspitze drehte Mardus den Kopf des Mannes. »Das Gesicht ist zwar ziemlich entstellt, aber es ist eindeutig keiner der beiden.«
    »Nein, Herr, nur ein gewöhnlicher Dieb, der dem Dra’gorgos zufällig in die Hände gefallen ist. Aber der Junge war zweifellos irgendwann in den vergangenen zwei Tagen hier. Sein Blut ist überall im Zimmer. Er muß verwundet worden sein.«
    »Aber nicht von Rythel. Nichts an seinem Verhalten hat darauf hingedeutet, daß er etwas in der Art zu verbergen hatte.«
    Der Totenbeschwörer schloß kurz die Augen und runzelte die ohnehin schon verkniffenen Züge noch mehr, als er sich konzentrierte. »An der Traufe über dem Fenster ist auch Blut. Er muß sich geschnitten haben, als er einbrach.«
    Abermals schaute Mardus auf den toten Mann hinab. »Zwei Diebe in nur zwei Tagen? Das scheint mir ziemlich viel, sogar für diesen Teil der Stadt.« Zufrieden beobachtete er, wie ein beunruhigtes Zucken über die Wange des Totenbeschwörers huschte. »Schade, daß wir nicht in jener Nacht hier waren, als unser junger Freund zu Besuch war«, fuhr er fort. »Dann läge nun er anstelle dieses nutzlosen Stückes Fleisch hier, tot und außerstande, Fragen zu beantworten. Laß die Leiche verschwinden, bevor noch jemand etwas bemerkt.«
    Mit zusammengebissenen Zähnen murmelte Vargûl Ashnazai einen Zauberspruch, woraufhin die Dunkelheit neben ihnen zu verschwimmen begann. Ein zweiter Dra’gorgos erschien, ein wabernder, gesichtsloser Schatten, der einen Augenblick wie Rauch in der Luft hing, ehe er in den Mund und die Nase des toten Mannes hinabströmte. Ein Zucken durchlief den Leichnam, dann mühte er sich linkisch auf die Beine. In dem Antlitz ließen sich keine Anzeichen von Leben erkennen; blicklos starrten die toten Augen ins Leere, und das Auge auf der zertrümmerten Hälfte des Kopfes ragte befremdlich aus der zerschmetterten Höhle hervor.
    Mardus betrachtete das Ding mit leisem Interesse. »Wie lange kannst du diesen Zustand aufrechterhalten?«
    »Bis der Leichnam verwest, Herr, aber ich fürchte, das hätte wenig Sinn. Allein die Wiederbelebung hat soviel Magie verschlungen, daß der Hülle die Kraft des Dra’gorgos fehlt. Nachdem wir unser Ziel erreicht haben, wird sich das natürlich ändern.«
    »Natürlich.« Flüchtig berührte Mardus mit der behandschuhten Hand die Brust des Leichnams und fühlte die schwarze Leere in der leblosen Schale – so viel verschwendete Macht, und bald würde sie ihm gehören.
    Der Totenbeschwörer flüsterte einen weiteren Befehl, und die Leiche humpelte in Richtung des nahegelegenen Hafens davon.
    Nach wie vor durch Ashnazais Zauber geschützt, ritten sie hinauf in die Stadtmitte. Die paar Leute, denen sie unterwegs begegneten, nahmen wenig mehr als eine flüchtige Kälte, ein kurze Bewegung aus dem Augenwinkel wahr.
    »Eigentlich spielt es keine große Rolle, sollten sie Rythels Werk in der Kloake entdecken«, meinte Ashnazai unsicher, als sie die Korngarbenstraße entlang zu ihrer Unterkunft in der Nähe des Erntemarktes trabten. »Die Karte ist das einzig Wichtige, und die haben wir ja.

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