Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
entsandt haben, läßt darauf schließen, daß sie nicht genau wissen, wo der Gegenstand zu finden ist. Wir hingegen haben das höchstwahrscheinlich gerade festgestellt. Außerdem bin ich in der Lage, dich wesentlich schneller in die Ashek-Berge zu befördern.«
Seregil wurde bleich. »O nein! Du kannst doch nicht – ein Ortswechselzauber von hier in die Ashek-Berge? Nysander, ich werde mich stundenlang übergeben!«
»Es tut mir leid, aber diese Angelegenheit ist zu bedeutend, um es auf andere Weise zu versuchen. Was uns zurück zu Alec bringt. Wird er Schwierigkeiten machen, weil du ihn zurückläßt?«
Seregil fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Mir wird schon was einfallen. Wann breche ich auf?«
»Um die Mittagszeit, sofern du bis dahin bereit sein kannst.«
»Ich glaube schon. Was brauche ich denn alles, abgesehen von offensichtlichen Dingen?«
»Was hältst du davon, als Aurënfaie-Magier aufzutreten?«
Seregil warf Nysander einen süßsauren Blick zu. »Klingt recht gut, solange wir uns dabei nicht auf meine Fähigkeiten als Zauberer verlassen müssen.«
»Du meine Güte, nein«, entgegnete Nysander lachend. »Ich gebe dir ein paar Dinge mit, die deiner Rolle Glaubwürdigkeit verleihen, und andere, die du für die eigentliche Aufgabe benötigst.« Er setzte ab und ergriff die Schultern des jüngeren Mannes. »Ich wußte, du würdest mich nicht im Stich lassen, Seregil.«
Scherzhaft zog Seregil eine Augenbraue hoch. »Ich wette, jetzt bist du froh, daß du mich nicht getötet hast, oder? Wie spät ist es?«
»Ich glaube, die Sonne geht bald auf. Bedauerlicherweise muß ich dich auf dieselbe Weise zurückschicken, wie ich dich geholt habe.«
»Zweimal in einer Nacht? Dann stell wenigstens sicher, daß du mich in Reichweite eines Eimers absetzt.«
2
Im Jungen Hahn
Alec erwachte durch das Geräusch von Schneeregen, der über das Dach peitschte. Irgendwann in der Nacht war Ruetha zu ihm unter die Decke gekrochen. Er kraulte das dichte, weiße Fell unter ihrem Kinn, woraufhin die Katze ein lautes Schnurren anstimmte.
Als er sich aufsetzte, sah er Seregils abgewetzten, alten Rucksack reisefertig vor der Schlafkammertür stehen. Darüber hing Seregils Schwertgurt; der erst kürzlich ausgebesserte Korb schimmerte im milchigen Morgenlicht.
Alec betrachtete das ordentliche Bündel mit wachsendem Mißtrauen; offenbar war Seregil bereits seit geraumer Zeit auf den Beinen und traf Vorbereitungen für eine Reise. Und er hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu wecken.
»Seregil?« Als Alec den Kopf durch die Zimmertür seines Freundes steckte, stellte er fest, daß in der kleinen Kammer anstatt der gewöhnlichen Unordnung nunmehr ein völliges Chaos ausgebrochen war.
»Guten Morgen!« rief Seregil fröhlich von irgendwo hinter einer umgekippten Truhe.
»Was ist denn hier los? Warst du die ganze Nacht wach?«
»Nicht die ganze Nacht.« Seregil kämpfte sich mit einer Ladung Kleider aus dickem Schaffell durch das Gerümpel und ließ die Felle neben dem Rucksack zu Boden plumpsen. »Das hier habe ich gefunden«, sagte er und reichte Alec einen staubigen Sack, der ein halbes Dutzend komplizierter Schlösser enthielt. Einige waren immer noch an gesplitterten Holztrümmern befestigt.
»Ich dachte, du würdest dich vielleicht gern daran versuchen, nachdem du die auf der Werkbank bereits gemeistert hast. Aber sei vorsichtig. Einige davon beißen.«
Wortlos stellte Alec den Sack ab und lehnte sich an den Türrahmen. Seregil war für eine Reise gekleidet und hatte ihn immer noch nicht aufgefordert, mit dem Packen zu beginnen.
»Was ist los?« fragte er, während er beobachtete, wie Seregil ein Paar langer Schneeschuhe aus einem Schrank hervorkramte. »Wohin gehst du, daß du bei diesem Wetter mit Schnee rechnen mußt?«
»Warte einen Augenblick, ja?« erwiderte Seregil, der gerade die Gurte aus ungegerbtem Leder überprüfte. »Ich muß noch ein paar Dinge suchen, dann erkläre ich dir, soviel ich kann.«
Seufzend trat Alec an das Fenster über der Werkbank. Die Scheiben erzitterten, als ein weiterer Windstoß auf die Herberge niederfuhr. Draußen sah er Thryis’ Sohn Diomis über den Hinterhof eilen. Der Schleier herabprasselnden Eisregens erwies sich als so dicht, daß nur die Gebäude in unmittelbarer Nähe erkennbar waren. Hinter sich hörte er Seregil unablässig weiterkramen.
Alec unterdrückte seine wachsende Ungeduld, zog eine Hose an und begann im Kamin ein Feuer zu entfachen.
Die
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