Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Der Helm fiel ihr aus den Händen und rollte zurück in das Loch, aus dem er stammte. Mardus hechtete hinterher.
Ohne auf den plötzlichen Pfeilhagel zu achten, der rings um sie losbrach, ließen Micum und Seregil Nysander im Schutz der Felsen zurück und rannten hinab. Irtuk Beshars Bann über das Becken löste sich bereits auf. Wasser strömte wieder hinein, spülte Leichen und Eingeweide in das Loch hinab und schwemmte den Helm aus Mardus’ Reichweite, als er sich hinabbeugte, um ihn aufzuheben.
Micum betete, Nysander möge recht damit haben, daß die Kraft des verwundeten Dyrmagnos erschöpft wäre, und stürzte auf Beshar los. Sie erblickte ihn und hob eine knorrige Hand. Er holte aus und hieb ihr den Arm ab, dann schlug er abermals zu und traf sie zwischen dem Hals und der Schulter. Ihr Körper teilte sich unter der Klinge wie ein vertrockneter Kürbis. Sie schleuderte ihm Flüche entgegen, als ihr Kopf und der unversehrte Arm vom übrigen Leib wegkullerten.
Trotz Seregils und Nysanders Warnungen zögerte Micum kurz und starrte entsetzt auf die abgetrennten Körperteile, die sich zu seinen Füßen auf dem Boden wanden. Dann erspähte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung und wirbelte gerade noch rechtzeitig herum, um Tildus’ Schwert abzuwehren.
Sakor ist mir heute wohlgesonnen, dachte er bei sich, als er einem weiteren Hieb auswich und seinerseits den plenimaranischen Hauptmann mit einem mächtigen Schwung am Hals traf.
Weitere Marinesoldaten stürmten herbei, um den Tod ihres Hauptmannes zu rächen. Micum verstümmelte zwei und tötete einen dritten. Ein vierter griff ihn von der linken Seite her an, doch der Mann sackte mit einem Pfeil im Rücken zusammen, bevor Micum einen Hieb anbringen konnte. Micum hatte kaum Zeit zu erkennen, daß die Befiederung nicht die Farbe von Alecs Pfeilen aufwies, bevor noch mehr Plenimaraner auf ihn losstürzten. Verbissen setzte er sich zur Wehr und bemerkte, daß auch hinter ihm Schwerter aufeinanderprallten, doch er war in zu großer Bedrängnis, um einen Blick zu wagen.
Wie erhofft hatten der Gefangenenaufstand und das geheimnisvolle Feuer im Lager viele Soldaten abgelenkt. Mit den wenigen, die übrigblieben, machte Micum kurzen Prozeß.
Er schaute sich gerade nach Seregil um, als ein brennender Schmerz von hinten durch seinen Oberschenkel schoß. Taumelnd wirbelte er herum und sah, daß Irtuk Beshar an ihm hing. Ihre Augen funkelten wie die einer Wildkatze, während sie die Fingernägel und Zähne in sein Bein bohrte. Viel zu spät erkannte er seinen Fehler; ihr Leib war wieder eins.
Der untere Teil ihres Kleides war abgefallen, und Micum erblickte sowohl die bläuliche, geschwollene Trennlinie als auch das gesplitterte Ende des Pfeiles, der immer noch zwischen ihren verschrumpelten Brüsten hervorragte. Ihre Beine, schwarz und verdorrt wie die einer verbrannten Leiche, traten zuckend um sich, während sie den Griff um Micums Bein verstärkte und die Zähne tiefer ins Fleisch grub. Langsam breitete sich von den Wunden her eine tödliche Kälte in seinem Körper aus.
Linkisch drosch Micum auf sie ein. Eines der schrumpeligen Beine flog davon, dann gelang es ihm, sie in der Mitte entzweizuhacken. Fest entschlossen, denselben Fehler nicht noch einmal zu begehen, packte er die untere Leibeshälfte am verbliebenen Bein und schleuderte sie mit aller Kraft ins Meer hinaus, dann trat er das andere Bein in die Schatten jenseits der Fackeln.
Doch Irtuk Beshar war immer noch entsetzlich lebendig und klebte an ihm wie ein Fluch. Die Kälte, die von ihrem Biß ausging, kroch in Micums lebenswichtige Organe, ließ seine Ohren taub werden, verdunkelte ihm die Sicht, raubte ihm jegliches Gefühl in den Fingern. Das Schwert fiel ihm aus der Hand; unbeholfen zerrte er an dem Dyrmagnos. Vertrocknete Knochen brachen in seinen Fäusten, staubige Haarbüschel lösten sich wie verrottete Fetzen, aber immer noch umklammerte ihn Irtuk Beshar und jagte ihm mit letzter Kraft ihr Gift in die Venen.
Kraftlos knickte Micums Bein unter ihm ein, und er fühlte, wie ihr Griff sich veränderte, als sie sich langsam seinen Körper hinaufhangelte. Irgendwo in der Nähe brüllte Seregil. Angestrengt zuckte Micums Kehle, doch sie war verstopft vom rachsüchtigen Haß des Dyrmagnos.
Alec hatte nur noch die drei weißen Pfeile übrig, als er Micum erblickte, der sich auf dem Boden knapp oberhalb des Beckens wild hin und herwarf. Bleischwere Kälte nistete sich in seinem Magen ein, als er
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