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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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schnaubte Alec. »So etwas würde er niemals tun.«
    »Die Menschen stecken voller Überraschungen, Alec. Und vielleicht hätte er es ja auch aus Treue zu jemand anderem, sagen wir seiner Familie getan. Er hätte seiner Familie die Treue gehalten und dafür die Königin verraten. Wer zählt mehr?«
    »Seine Familie«, erwiderte Alec, obwohl er allmählich die ersten Anzeichen von Verwirrung zu verspüren glaubte.
    »Sicher. Jeder Mann sollte seine Familie über alles andere stellen. Aber was, wenn sein gerechtfertigter Verrat Hunderte andere Familien das Leben gekostet hätte? Und was, wenn einige der Getöteten ebenfalls Freunde von uns gewesen wären – Myrhini, Cilla, Thero. Na ja, vielleicht nicht unbedingt Thero …«
    »Ich weiß es nicht!« Unbehaglich zuckte Alec mit den Schultern. »Ich kann mir keine Meinung bilden, ohne die Einzelheiten zu kennen. Ich nehme an, ich würde ihm einfach vertrauen, bis ich mehr wüßte. Vielleicht hatte er ja keine andere Wahl.«
    Gestreng hob Seregil den Zeigefinger. »Man hat immer eine Wahl. Glaub bloß nicht, das wäre jemals anders. Was man auch tut, es bedarf einer Entscheidung, und man muß die Verantwortung dafür übernehmen. So wird aus Ehre mehr als nur ein leeres Wort.«
    »Trotzdem müßte ich erst wissen, weshalb er es getan hat«, beharrte Alec stur.
    »Das ist auch gut so. Aber nimm mal an, du kämst dahinter, daß er dein Vertrauen trotz seiner freundlichen Art mißbraucht hätte. Würdest du ihn jagen und töten, wie es das Gesetz verlangt?«
    »Wie könnte ich?«
    »Es wäre gewiß schwierig. Freundschaftsbande aus früheren Tagen haben nun mal Gewicht. Aber sagen wir, du wüßtest mit Sicherheit, daß ihn jemand anders schnappen würde – die Offiziere der Königin zum Beispiel – und daß sie ihn auf langsame und grausame Weise töten würden. Wäre es dann nicht deine Pflicht als sein Freund und als Mann von Ehre, dafür zu sorgen, daß ihn ein schneller, gnadenvoller Tod ereilt? So betrachtet, wäre es wohl der stärkste Beweis deiner Freundschaft zu Micum Cavish, ihn zu töten.«
    Alec starrte Seregil mit leicht offenem Mund an. »Wie, um alles in der Welt, sind wir darauf gekommen, Micum zu töten?«
    Seregil zuckte mit den Schultern. »Du wolltest etwas über Treue wissen. Ich habe dir doch gesagt, das ist keine einfache Sache.«

 
11
Nysander allein
     
     
    In letzter Zeit bewegten sich die Hände öfter.
    Als Nysander durch die dicke Kristallschicht, die den Deckel des Schaukastens bildete, auf sie hinabstarrte, sorgte der Lichteinfall dafür, daß sein Spiegelbild über den gespreizten Händen schwebte, wodurch der Eindruck entstand, sein Kopf läge in dem Kasten und würde von den verschrumpelten Klauen des toten Geisterbeschwörers umklammert. Das Gesicht, das er sah, war ein ausgesprochen altes, von Erschöpfung gezeichnetes. Während er hinabschaute, ballten sich die Hände langsam zu Fäusten, so fest, daß die Haut über einem Knöchel aufplatzte und der braune Knochen darunter zum Vorschein kam.
    Während Nysander mißmutig durch das menschenleere Museum weiterstapfte, erwartete er fast, gleich wieder die Stimme aus seinen Alpträumen zu hören, die ihre höhnische Herausforderung aus den Tiefen der Erde durch den Boden heraufbrüllte. Seit Seregils Rückkehr aus den Ashek-Bergen suchten ihn diese Träume immer öfter heim.
    Nysander zauberte einen Lichtkreis herbei, öffnete die Tür am hinteren Ende der Museumshalle und begann den langen Abstieg durch die Gewölbe.
    Hier hatte er Magyana in den Tagen ihrer Jugend umworben. Auch nachdem sie starrsinnig darauf beharrte, das Eheverbot einzuhalten, führten sie weiterhin lange und angeregte Unterhaltungen, während sie diese engen Steinkorridore entlangschlenderten. Seregil hatte sie im Laufe seiner unglücklichen Laufbahn als Zauberlehrling häufig begleitet, Tausende Fragen gestellt und seine Nase in alles und jedes hineingesteckt.
    Gelegentlich kam Thero mit, wenngleich zunehmend seltener. Ob Ylinestra ihn wohl hier herunter verschleppte, um sich mit ihm zu lieben, überlegte Nysander, so wie sie es früher mit ihm getan hatte? Bei allen Vieren, ihre heiße Leidenschaft hatte sogar die Steine zum Dampfen gebracht!
    Gedankenverloren schüttelte er den Kopf, als er sich Ylinestra mit Thero vorstellte; ein Sonnenvogel mit einer Krähe vereint.
    Er hatte der Zauberin nie ganz über den Weg getraut. So begabt Ylinestra gleichermaßen in der Liebe und der Magie sein mochte, hinter ihrem

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