Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
verschwinden.
»Überbring Hauptfrau Myrhini von der Reiterei der Königin folgende Nachricht«, trug Seregil dem Mädchen auf. »Als Beka Cavishs Förderer empfinde ich es als Gebot der Ehre, ihr einen angemessenen Abschied zu bereiten. Die Hauptfrau wird ersucht, daran teilzunehmen und für Ordnung zu sorgen. Sie kann mitbringen, wen auch immer sie will, solange sie Beka und ihren Reitern eine dienstfreie Nacht gewährt. Alles verstanden?«
Voller Stolz wiederholte das Mädchen Wort für Wort.
»Braves Mädel. Los jetzt.« Als Seregil sich wieder Alec zuwandte, stellte er fest, daß sein junger Freund besorgt die Stirn runzelte.
»Du hast doch gesagt, vor dem Frühling würde sich gar nichts tun«, meinte Alec.
»In Sachen Krieg? Wird sich auch nichts tun«, gab Seregil zurück, der selbst etwas überrascht von den Neuigkeiten wirkte. »Die Königin muß wohl Grund zu der Annahme haben, daß die Plenimaraner beabsichtigen, sich zu Beginn des Frühjahrs zu rühren. Deshalb will sie für den Ernstfall Truppen in Grenznähe haben.«
»Jetzt bleibt uns nicht einmal mehr Zeit, um Micum und Kari zu benachrichtigen.«
»Verflucht! Das habe ich ja völlig vergessen.« Seregil trommelte eine Weile mit den Fingern auf die polierte Tischplatte. »Na ja. Wir reiten morgen zu ihm raus und erzählen ihm die Einzelheiten. Vorerst müssen wir eine Feier vorbereiten.«
Bald trudelte durch dieselbe Botin die Antwort ein, daß Hauptfrau Myrhini Leutnant Cavish und ihren Reitern den Abend freigeben würde, vorausgesetzt das Angebot umfaßte genug zu essen und zu trinken. Zu dem Zeitpunkt hatte sich Seregil bereits mit einer für Alec erstaunlichen Hingabe den Vorbereitungen gewidmet.
Binnen weniger Stunden wurden zusätzliche Bedienstete angeworben; eine Gruppe heiserer Musiker mit ihren Fiedeln, Pfeifen und Trommeln wurde auf der Galerie postiert, und der Koch und seine Mannschaft verwandelten einen steten Strom Warenlieferungen vom Markt in ein Festmahl.
Indes wurde aus dem Salon alles Zerbrechliche entfernt. Drei lange Tische auf Böcken wurden aufgestellt, ebenso riesige Fässer voll Bier und Wein auf verstrebten Gestellen am Eingang des Saales.
Beka und ihre Turma bogen bei Sonnenuntergang in die Radstraße. Sie boten einen eindrucksvollen Anblick in ihren makellos weißen Hosen und den grünen Wappenröcken, auf die das Regimentsemblem aufgenäht war.
Tatsächlich wirkten sie sogar etwas einschüchternd, fand Alec, der neben Seregil an der Eingangstür stand, um sie zu begrüßen. Er hatte Beka schon immer ein wenig darum beneidet, Teil einer solchen Elitetruppe zu sein. Die Vorstellung, umgeben von Kameraden in einen offenen Krieg zu ziehen, hatte etwas Romantisches an sich.
»Willkommen!« rief Seregil.
Beka stieg ab und schritt die Stufen zur Tür hinauf, wobei ihre Augen fast so strahlend leuchteten wie der polierte Leutnantharnischkragen um ihren Hals.
»Ihr bereitet uns eine große Ehre, meine Herren«, sprach sie laut vernehmlich und zwinkerte den beiden zu.
Seregil verneigte sich leicht, dann ließ er den Blick über die Menge der Reiter schweifen, die sich hinter ihr versammelte. »Du bringst aber einen recht derb aussehenden Haufen mit. Meinst du, die können sich benehmen?«
»Nie im Leben«, erwiderte Beka schlagfertig.
Seregil grinste. »Na gut, dann kommt alle rein.«
Alecs Ehrfurcht verblaßte ein wenig, als die Männer und Frauen aus Bekas Truppe an ihm vorüber in den bemalten Salon marschierten. Bislang hat er sie nur aus der Entfernung auf dem Übungsplatz gesehen – schneidige Gestalten, die in einem Scheingefecht übereinander herfielen. Nun aber erkannte er, daß die meisten von ihnen kaum älter als er waren. Einige gebärdeten sich wie besitzlose Zweitgeborene oder schienen Sprößlinge von Händlern zu sein; andere – diejenigen, die mit offenen Mündern den prunkvollen Saal bestaunten – stammten aus bescheideneren Familien und hatten ihren Platz einzig durch ihr Können und um den Preis eines Pferdes und ihrer Waffen erworben.
»Ich möchte euch meine Feldwebel vorstellen«, sagte Beka. »Mercalle, Braknil und Portus.«
Alec schüttelte den Dreien die Hände und nahm an, daß die meisten von ihnen sich von ganz unten hochgearbeitet hatten. Feldwebel Mercalle war groß und dunkelhäutig. Außerdem fehlten ihr die beiden letzten Finger der rechten Hand, eine unter Kriegern häufige Verletzung. Neben ihr stand Braknil, ein stämmiger, ernst wirkender Mann mit buschigem, blondem
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