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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Nachmittags irgendwie verloren fühlte, setzte er sich wieder zu seinem Buch und las darin, bis das Licht ausging. Als er aufstand, um eine neue Kerze zu holen, sah er, daß der Regen aufgehört hatte. Jenseits der Hofmauer schimmerten einladend die Straßenlaternen durch den Nebel.
    Mit einem Schlag wirkte das Zimmer bedrückend und stickig. Es gab eigentlich keinen Grund, warum er nicht ausgehen sollte. Wieso kam er erst jetzt darauf? Rasch legte er ein Oberkleid und einen Umhang an und lief nach unten.
    Die Tür zwischen der Küche und der Speisekammer stand offen, so daß er beobachten konnte, wie Cilla inmitten des Wirbels im Zuge der Vorbereitungen zum Abendessen seelenruhig den kleinen Luthas stillte und mit der freien Hand einen Korb voller Äpfel sortierte. Gierig sog das Kleinkind und zupfte an den Spitzen ihres Kleidoberteils. Die freiliegende Brust wogte sanft im Takt der Züge des Säuglings auf und ab.
    Alecs Erfahrung mit Ylinestra hatte die Art und Weise grundlegend verändert, wie er sich angesichts solcher Anblicke verhielt. Als sie aufschaute und ihn an der Tür stehen sah, errötete er schuldbewußt.
    »Ich dachte, du wärst schon ausgegangen«, meinte sie.
    »Ah – nein. Ich war nur, das heißt … Na ja, weißt du, es hat zu regnen aufgehört, und ich mache nur einen Spaziergang.« Unbeholfen deutete er auf die Tür hinter sich.
    »Könntest du wohl einen Augenblick den Kleinen für mich halten, bevor du losmarschierst?« fragte sie, löste Luthas von ihrem Nippel und hob ihn hoch. »Mein Arm bricht gleich ab, wenn ich ihn nicht auf die andere Seite nehme.«
    Alec ergriff das Kind und hielt es, während Cilla die Körbe verschob und die andere Brust freilegte. Sie quoll förmlich über vor Milch; ein dünnes Rinnsal troff aus dem Nippel, als sie sich bewegte. Alec stand nah genug, um die perlenähnlichen Tropfen zu erkennen, die hinabfielen und auf der tiefroten Haut der Äpfel zerplatzten. Leicht schwindelig wandte er den Blick ab. Luthas ließ verschlafen ein Bäuerchen vernehmen und kuschelte sich vorne an Alecs Umhang.
    »So wie er futtert, sollte man meinen, ich hätte keinen Tropfen mehr im Leib, aber sieh mich an!« rief Cilla vergnügt aus, nahm das Kind zurück und legte es sich an den anderen Busen. »Der Schöpfer sei gnädig, ich habe mehr Milch als Großmutters Ziegen.«
    Alec, dem keine passende Antwort auf die Bemerkung einfiel, nickte ihr nur hastig zum Abschied zu und wandte sich zum Gehen.
    »He, Alec. Hier, für deine Bemühungen«, sagte sie und warf ihm einen Apfel zu. Er spürte etwas Feuchtes zwischen den Fingern, steckte den Apfel in eine Tasche und zog sich in den Hinterhof zurück.
    Dort hielt er eine Weile inne, ließ sich vom Nebel das Gesicht kühlen und gönnte sich schuldbewußt das Vergnügen, die gerade erlebte Begegnung noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen zu lassen. Cilla hatte ihn bisher stets nur als Freund behandelt, und bis gerade eben war Alec nie der Gedanke gekommen, sie in einem anderen Licht zu betrachten. Natürlich war höchst unwahrscheinlich, daß auch sie ihre Meinung über ihn ändern würde, schließlich war sie wenigstens sechs Jahre älter als er.
    Der Junge schnallte sich den Schwertgurt um die Hüfte, zog die Kapuze tief ins Gesicht und schritt ohne besonderes Ziel durch das Hintertor. Der Nebel roch nach Rauch und Meer. Er schob ein Ende des Umhangs über die Schulter und genoß das Gefühl der kalten Nachtluft.
    Er ging um den Ernte-Markt herum, schlenderte durch die Messerschleiferstraße zur Goldhelmstraße, folgte dieser und beobachtete den abendlichen Verkehr. Als er zum Astellusplatz gelangte, überkam ihn plötzlich eine neue und unerwartete Eingebung.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des betriebsamen Platzes, jenseits der fahlen, tempelähnlichen Brunnenkolonnade, befand sich der anmutige Bogen, der den Beginn der Lichterstraße kennzeichnete. Schon viele Male war er die Straße auf dem Weg ins Theater oder zu einem der Spielhäuser entlanggewandert, und Seregil hatte des öfteren scherzhaft gemeint, sie könnten danach ein Bordell aufsuchen, aber irgendwie war es nie dazu gekommen. Alec hätte auch nie für möglich gehalten, daß es je dazu kommen könnte.
    Bis zu diesem Augenblick.
    Die farbigen Laternen – rosa, gelb, grün und weiß – schimmerten sanft durch den Nebel; jede Farbe wies darauf hin, welche Art fleischlichen Genusses das jeweilige Haus anbot. Rosa bedeutete Frauen für Männer, das wußte er, und

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