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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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laß dir ruhig Zeit.« Anmutig schwenkte er den Arm in Richtung der Wandgemälde. »Vielleicht findest du dort eine Anregung. Oder schwebt dir eine bestimmte Art des Zeitvertreibs vor?«
    »Nein!« Erschrocken erwachte Alec aus seinem Dämmerzustand und wich einen Schritt zurück. »Nein. Eigentlich wollte ich – ich meine, ich dachte, ich hätte einen Freund hier hineingehen gesehen. Ich habe nur nach ihm gesucht.«
    Azarin nickte und meinte ungebrochen wohlwollend: »Ich verstehe. Aber da du nun schon hier bist, könntest du uns doch eine Weile Gesellschaft leisten. Der Musiker ist neu in der Stadt, eben erst aus Cirna gekommen. Ich lasse dir Wein bringen.«
    Auf einen unauffälligen Wink Azarins hin löste sich ein junger Mann von einer Gruppe, die sich unweit der beiden unterhielt, und kam zu ihnen herüber.
    »Tirien wird sich in meiner Abwesenheit deiner annehmen«, erklärte Azarin. Dann bedachte er die beiden mit einem letzten, anerkennenden Blick und verschwand wieder in der Vorhalle.
    »Sehr erfreut, junger Herr«, begrüßte ihn Tirien. Dichtes, schwarzes Haar, seidig wie eine Krähenschwinge, umrahmte sein Antlitz, und ein zarter Flaumansatz wand sich an den hohlen Wangen vorbei. Sein Lächeln wirkte aufrichtig freundlich. Er trug eine Hose, Stiefel und ein weites, teures Leinenhemd; einen Augenblick hielt ihn Alec gar für einen Adeligen. Doch diese Vorstellung zerbarst in tausend kleine Stücke, als Tirien dichter zu ihm trat und sagte: »Dort drüben am Feuer ist noch ein Sofa frei, wenn Ihr Lust habt. Oder wollt Ihr lieber gleich nach oben gehen?«
    Einen entsetzlichen Augenblick verschlug es Alec die Sprache; was in Illiors Namen sollte er nun tun? Als er über Tiriens Schulter starrte, verharrten seine Augen zufällig auf einem der Wandgemälde. Der junge Liebesdiener wandte sich um und folgte seinem Blick, dann lächelte er.
    »O ja. Darin bin ich ziemlich gut. Aber wie Ihr seht, brauchen wir dafür einen Dritten.«
     
    Seregils Augen weiteten sich vor Verblüffung, als er Alec am Eingang zum Salon erblickte. Sogleich folgte der Verblüffung ein bittersüßes, wesentlich stärkeres Gefühl, das weit über bloße Überraschung hinausging.
    Offenbar war der Junge irrtümlich in Azarins Haus geraten – das ließen die angespannten Züge rings um den Mund und die verräterische Blässe seiner Wangen erahnen.
    Ich sollte ihn besser retten, dachte er. Dennoch verharrte er reglos und ließ die Szene noch ein wenig andauern.
    Ein rascher Blick durch den Raum bestätigte, daß Alec auch die Aufmerksamkeit anderer Gäste auf sich zog. Kein Wunder, dachte Seregil und verspürte dabei etwas, das sich gefährlich nach Besitzgier anfühlte. Eine kurze Weile gestattete er sich, Alec mit den Augen der anderen zu betrachten: einen schlanken, dunkel gekleideten Jungen, dessen dichtes, honiggoldenes Haar ein fein geschnittenes Gesicht umrahmte, aus dem Augen so blau wie ein sommerlicher Abendhimmel hervorleuchteten. Gleich einem halb gezähmten Tier stand er fluchtbereit da, dennoch verhielt er sich dem jungen Liebesdiener gegenüber geradezu höflich.
    Tirien beugte sich dichter zu Alec, und die Maske der Gelassenheit zerbröckelte ein wenig und ließ etwas durchschimmern – aber was? Erschrockenheit, gewiß, aber war da nicht auch ein Hauch von Unentschlossenheit gewesen?
    Diesmal konnte Seregil den heißen Blitz der Eifersucht nicht verleugnen, der ihn durchzuckte. Stockwütend auf sich selbst, begann er, sich von Wythrin zu lösen.
    »Willst du jetzt wieder nach oben gehen?« fragte der junge Mann hoffnungsvoll und ließ eine warme Hand über Seregils Hüfte emporwandern.
    Dies besänftigte Seregil ein wenig. Er streichelte Wythrin mit dem Handrücken über die Wange und genoß, wie angenehm rauh sie sich anfühlte. Dieser Liebesdiener, der seit einiger Zeit zu seinen Lieblingsgespielen zählte, besaß eine ganz eigene Ausstrahlung und die Gabe, Seregil Befriedigung zu verschaffen, ohne ihm das Herz zu brechen. Wythrin und seinesgleichen boten sichere, schuldlose Leidenschaft ohne jede Verpflichtung.
    »Gleich. Ich muß zuerst noch mit jemandem reden.«
    Seregil gelobte sich, Alec aus dem Fettnäpfchen zu befreien, in das der Junge getappt war, auch wenn er dafür mit Tirien nach oben verschwinden mußte; danach würde er in Wythrins weichem Bett noch einmal alle Sorgen vergessen. So einfach war das.
     
    Alec erkannte rasch, daß Tirien keinesfalls vorhatte, sich abwimmeln zu lassen. Sein zunehmend

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