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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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rühren. Die Kreatur ließ von ihm ab, sprang auf seine nackte Hüfte und krabbelte davon.
    Seregil hielt still, bis er sicher war, dass der Drache fort war, dann ließ er das Kinn auf die Brust sinken. Was hatte ein Drache dieser Größe so weit vom Gebirge entfernt zu suchen, und wie giftig war sein Biss? Dieser Gedanke erinnerte ihn an Thero, und er musste ein hysterisches Lachen unterdrücken.
    »Das wird ein Glücksmal hinterlassen.«
    Seregil riss den Kopf hoch. Kaum einen Fuß entfernt kauerte die sanft leuchtende nackte Gestalt eines Rhui’auros. Das breite Gesicht des Mannes kam ihm vage bekannt vor. Auf seinen großen Händen trug er dick aufgetragene Tätowierungen. Andere bedeckten seine muskulöse Brust und schienen sich aus eigenem Antrieb zu bewegen, als er sich vorbeugte, um Seregils Wunde zu untersuchen.
    Es gab kein Licht; Seregil konnte nicht einmal seine eigene Hand sehen, aber er konnte den Rhui’auros klar und deutlich erkennen, als säßen sie beide im hellen Tageslicht.
    »Ich erinnere mich an Euch. Euer Name lautet Lhial.«
    »Und dich nennt man jetzt den Verbannten, nicht wahr? Nun folgt der Drache der Eule.«
    Irgendwie klang dieser letzte Satz vertraut, aber er konnte ihn nicht einordnen, wenngleich er die beiden Verweise auf Aura natürlich kannte: die Drachen Aurënens, die Eule Skalas.
    Der Rhui’auros legte den Kopf schief und betrachtete ihn neugierig. »Komm, kleiner Bruder, lass mich deine jüngste Wunde sehen.«
    Seregil rührte sich nicht. Dies war einer derjenigen, die ihn verhört hatten. »Warum habt ihr mich hergerufen?«, fragte er schließlich, und seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.
    »Du hast eine lange Reise gemacht. Nun bist du zurückgekehrt.«
    »Ihr habt mich ausgestoßen«, konterte Seregil verbittert.
    Der Rhui’auros lächelte. »Damit du leben kannst, kleiner Bruder, und das hast du. Nun gib mir deine Hand, ehe sie noch weiter anschwillt.«
    Verblüfft sah Seregil zu, wie seine Hand unter der Berührung des Rhui’auros sichtbar wurde. Ein sanftes Licht breitete sich zwischen den beiden aus, erhellte die kleine Kammer und riss schließlich auch ihn aus der Finsternis. Lhial kam näher, sodass ihre nackten Knie sich berührten.
    Vorsichtig tippte er mit dem Finger auf eine der Blessuren auf Seregils Brust und schüttelte den Kopf. »So erreichst du gar nichts, kleiner Bruder. Auf dich warten andere Aufgaben.«
    Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Seregils Hand und untersuchte die Bisswunde. Aus parallel verlaufenden gepunkteten Linien sickerte Blut in seine Handfläche und über den Handrücken, wo sich die Kiefer des Drachen um seinen Daumen geschlossen hatten. Der Rhui’auros brachte eine Flasche Lissik zum Vorschein und massierte die dunkle Lösung in die Wunde. »Erinnerst du dich an die Nacht, in der du hergebracht wurdest?«, fragte er, ohne aufzusehen.
    »Wie könnte ich das vergessen.«
    »Weißt du, warum du hergebracht wurdest?«
    »Um verurteilt zu werden. Um verbannt zu werden.«
    Lhial lächelte. »Hast du das all die Jahre geglaubt?«
    »Warum denn sonst?«
    »Um an deinem Schicksal herumzubasteln, kleiner Bruder.«
    »Ich glaube nicht an das Schicksal.«
    »Und du denkst, dass würde irgendetwas ändern?«
    Der Rhui’auros sah ihn mit einem vergnügten Lächeln an, und Seregil zog sich an die Wand der Dhima zurück. Lhials Augen hatten die Farbe gehämmerten Goldes angenommen.
    Ein Bild tauchte in Seregils Geist auf: die leuchtend goldenen Augen des Khtir’bai, der ihn in der Finsternis jener Nacht in den Ashek-Bergen angesehen hatte.
    Du hast noch viel zu tun, Sohn des Korit.
    »Ich wandele über die Ufer der Zeit«, erzählte ihm Lhial leise. »Sehe ich dich, sehe ich all deine Geburten, all deine Tode, all die Werke, die der Lichtträger für dich bereithält. Aber Zeit ist ein Tanz mit vielen Schritten und Fehltritten. Jene von uns, die sehen, müssen manchmal eingreifen. Dwai Sholo war nicht dein Tanz. Davon konnte ich mich in jener Nacht überzeugen, in der du hergebracht wurdest, also wurdest du für andere Taten verschont, von denen du manche schon vollbracht hast.«
    »War Nysanders Tod ein Teil dieses Tanzes?«
    Die goldenen Augen blinzelten sacht. »Was du mit ihm gemeinsam vollbracht hast, ist ein Teil. Er tanzt gern, dein Freund. Sein Khi erhebt sich wie ein Falke unter deinem zerbrochenen Schwert. Er tanzt noch immer. Und das solltest auch du tun.«
    Tränen raubten Seregil die Sicht. Er wischte sie mit

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