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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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sich, die innere Stille herzustellen, die notwendig war, seine Gedanken zu befreien, doch er hatte keinen Erfolg.
    Ich bin aus der Übung. Wie oft hatte er den Tempel während all seiner Jahre in Skala betreten? Vermutlich weniger als ein Dutzend Male, und jedes Mal hatte es dafür einen versteckten Grund gegeben.
    Der ebenmäßige Atem der Träumer um ihn herum zerrte an seinen Nerven, schien seine Ruhelosigkeit zu verhöhnen. In gewisser Weise war er erleichtert, als sein Führer zurückkehrte und ihn über die Wendeltreppe in die Höhle unter dem Raum hinabgeleitete.
    Oh ja, er erinnerte sich an diesen Ort, an die rohen Steine und die Hitze und den metallischen Geruch, der die Furcht, die so oder so schon in seinen Eingeweiden wütete, noch verstärkte.
    Drei Gänge zweigten von der Haupthöhle ab und wanden sich abwärts in die Finsternis. Seregils Führer winkte aus dem Nichts ein Licht herbei und betrat den Gang zu ihrer Rechten.
    Ist es der gleiche Gang?, fragte sich Seregil, während er hinter ihm herstolperte. Er konnte nicht sicher sein; er war in jener Nacht viel zu verängstigt gewesen, als man ihn in diese totale Dunkelheit halb gezerrt, halb getragen hatte.
    Mit jedem Schritt wurde es heißer. Dampfschwaden stiegen aus Rissen im Gestein auf. Von der Decke tropfte Kondenswasser herab. Das Atmen fiel ihm schwer.
    In der Finsternis ertrinken …
    Kleine Dhimas standen in unregelmäßigen Abständen in dem Tunnel, doch Seregils Führer geleitete ihn erst tief in die Erde, ehe er vor einer der kleinen Kammern stehen blieb.
    »Geh hinein«, wies der Mann ihn an, wobei er den ledernen Vorhang vor der Tür öffnete. »Lass deine Kleider draußen.«
    Nachdem er alles bis auf die Silbermaske abgelegt hatte, schlüpfte Seregil in die Dhima. Die Luft war stickig und schwer vom Gestank nach Schweiß und feuchter Wolle; durch eine kleine Ritze drang ein steter Strom heißen Dampfes herein. Seregil krabbelte auf die Binsenmatte neben der Dampföffnung. Sein Führer wartete, bis er sich gesetzt hatte, ehe er den Ledervorhang fallen ließ. Tiefschwarze Dunkelheit senkte sich über Seregil, und die Schritte des Mannes verklangen langsam in der Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Wovor habe ich nur solche Angst?, fragte er sich, und kämpfte gegen die aufkeimende Panik an, die ihn zu überwältigen drohte. Sie sind fertig mit mir. Sie haben ihr Urteil gefällt. Es ist vorbei. Jetzt bin ich wegen dem Iia’sidra hier. Ich bin ein Repräsentant der Königin von Skala.
    Warum kam niemand?
    Schweiß rann über seinen Körper, brannte in den Hautabschürfungen auf seinem Rücken, tropfte von seiner Nasenspitze herab, um sich im Rand der silbernen Maske zu sammeln. Er hasste das Gefühl, hasste die Dunkelheit und den irrationalen Eindruck, die Wände kämen auf ihn zu, um ihn zu erdrücken.
    Nie hatte er die Dunkelheit gefürchtet, nicht einmal als Kind.
    Nur hier, damals.
    Und jetzt.
    Zitternd, trotz der Hitze, verschränkte er die Arme vor der nackten Brust. Hier konnte er die Wölfe seiner Erinnerungen nicht abwehren. Sie stürzten sich auf ihn, und sie trugen die Gesichter all der Rhui’auros, die ihn verhört hatten. Sie hatten ihre Magie tief in seinen Geist gesandt und seine Gedanken und Ängste herausgezogen wie faule Zähne.
    Jetzt als er sich zitternd und leidend zusammenkauerte, drangen noch andere Erinnerungen empor, jene, die er noch tiefer begraben hatte: der scharfe Schmerz, als sein Vater ihn geschlagen hatte, nachdem er versucht hatte, ihm Lebewohl zu sagen; die Art, wie seine Freunde seinen Blicken ausgewichen waren; der Anblick des einzigen Zuhauses, das er gekannt hatte, wie es langsam in der Ferne verschwand …
    Noch immer kam niemand zu ihm.
    Sein Atem pfiff heiser durch die Maske. In der Dhima sammelte sich der Dampf und drang sengend in seine Lunge. Er streckte die Arme aus, betastete die hölzernen Streben zu beiden Seiten, um sich zu vergewissern, dass die feuchten Wände nicht über ihm einstürzen würden. Seine Finger strichen über das erhitzte Holz und verweilten dort. Einen Augenblick später keuchte er überrascht auf, als etwas Heißes über seine linke Hand huschte. Noch ehe er reagieren konnte, klammerte sich die unsichtbare Kreatur schon um sein Handgelenk. Nadelspitze Zähne bohrten sich gleich unterhalb des Daumens in seine Handfläche, ehe sie seine ganze Hand umfingen.
    Ein Drache, mindestens so groß wie eine Katze, nach dem Gewicht zu schließen.
    Seregil zwang sich, sich nicht zu

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