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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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dass sie dauernd meinetwegen Theater machen und dir bei jeder Gelegenheit einen Nackenschlag versetzen.«
    Seregil hielt ihn fest. »Sie tun das nicht, um mich zu verletzen, du verdammter Narr!«, flüsterte er wütend. »Ich habe mir dies alles vor langer Zeit selbst eingebrockt. Du bist wegen Klia hier, nicht wegen mir. Wenn du unsere Gastgeber beleidigst, steht sie deswegen schlecht da.«
    Alec starrte ihn einen Augenblick an, erzürnt über die Resignation, die sich hinter den harten Worten seines Freundes verbarg. »Ich werde versuchen, mir das zu merken«, murmelte er, ehe er seine Packtasche vom Sattel zog und sie in das Zelt trug, das ihnen zugewiesen worden war. Dann wartete er darauf, dass auch Seregil das Zelt aufsuchen würde. Als jener dies nicht tat, sah Alec hinaus und entdeckte ihn am Ufer des Tümpels, wo er den anderen beim Bade zuschaute.
     
    Seregil gab sich weiter höflich distanziert, sprach wenig, machte jedoch auch keinerlei Anstalten, sich von den anderen zurückzuziehen. Als Amali am Abend die Skalaner einlud, gemeinsam mit ihr am Ufer spazieren zu gehen, schloss er sich kommentarlos an.
    Sie führte die Gäste zu einem Überhang aus dunklem Gestein, der sich aus den Felsen hervorwölbte und gleich einem Tintenklecks dem Rand des Tümpels entgegenwuchs.
    »Seht ihn Euch genau an«, sagte sie, während sie mit der Hand über das Schiefergestein fuhr.
    Als er ihn näher in Augenschein nahm, konnte Alec weiter nichts Besonderes entdecken, abgesehen von den Stellen, die von der Erosion besonders blank poliert worden waren.
    »Das ist Haut!«, rief Thero auf der anderen Seite des Überhangs. »Zumindest war es einmal Haut. Und hier kann man das Rückgrat erkennen. Beim strahlenden Licht! War das einmal ein Drache? Er muss über dreihundert Fuß lang gewesen sein.«
    »Dann stimmt also, was ich gelesen habe«, murmelte Klia, während sie über eine brüchige Kante kletterte, die einmal zu einem Flügel gehört haben mochte und nun aus dem Boden aufragte. »Drachen verwandeln sich in Stein, wenn sie sterben.«
    »Dieser hat das getan«, entgegnete Amali. »Aber er ist der Einzige von dieser Größe, der je gefunden wurde. Wie sie sterben ist ein Mysterium, ebenso wie ihre Geburt. Die Kleinen tauchen einfach auf; die Großen verschwinden. Aber dieser Ort, den wir Vhadä’nakori nennen, ist wegen diesem Drachen heilig. Also trinkt kräftig, schlaft gut und horcht aufmerksam auf Eure Träume. In wenigen Tagen werden wir in Sarikali sein.«
     
    Seregil wusste, dass die Einladung der Akhendi-Frau zu einem Spaziergang am Vhadä’nakori nicht ihm gegolten hatte; sie hatte sich ihm gegenüber seit Gedre unverändert kühl verhalten. Vielleicht lag es an ihrer feindseligen Haltung, dass er in dieser Nacht so schlecht schlief.
    Auf seinem Nachtlager neben Alec warf er sich in dem Zelt, das sie mit Torsin und Thero teilten, unter dem Einfluss eines Traumes hin und her, der auch ohne die Unterstützung durch das heilende Gewässer von ungewöhnlicher Lebhaftigkeit war.
    Alles begann wie in so vielen Albträumen, die ihn während der letzten zwei Jahre gepeinigt hatten. Wieder stand er in seinem alten Wohnzimmer im Jungen Hahn, doch dieses Mal sah er keine verstümmelten Leichen, keine blutverkrusteten Köpfe lagen auf der Kamineinfassung und starrten ihn anklagend an.
    Stattdessen sah er den Raum so, wie er ihn aus glücklicheren Tagen in Erinnerung hatte. Die unaufgeräumten Tische, Bücherstapel, Werkzeuge auf der Werkbank unter dem Fenster – alles war genau so, wie es sein sollte. Doch als er sich zu der Ecke neben dem Kamin umwandte, fand er sie leer vor. Alecs schmales Bett war fort.
    Verwirrt ging Seregil zur Tür zu seinem Schlafzimmer. Als er sie aber öffnete, fand er sich plötzlich in seinem alten Kinderzimmer in Bôkthersa wieder. Er sah alles klar und deutlich und schmerzlich vertraut vor sich – das luftige Spiel der Schatten, die das Laub vor dem Fenster auf die Wand über seinem Bett warf, den Ständer mit den Übungsschwertern neben der Tür, die satten Farben des Paravents in der Ecke – bemalt von einer Mutter, die er nie gekannt hatte. Sogar längst verlorenes oder fortgeschafftes Spielzeug war da, als hätte jemand all seine wertvollsten Schätze aufbewahrt und sie für seine Rückkehr in dem Raum verteilt.
    Das Einzige, was nicht zu der Szenerie passte, waren die zarten Glaskugeln auf dem Bett, die er zunächst gar nicht bemerkt hatte.
    Nun wurde er von ihrer Schönheit gefangen

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